Britta Bonten ● 25.4.2021

Veränderungskompetenz – warum der homo sapiens ein Vorbild ist

Changeability, die Fähigkeit und Bereitschaft, anstehende Veränderungen zu bewältigen und diese zugleich für sich zu nutzen, ist heute ein wichtiger Wettbewerbsvorteil für Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter. Wie wir die Changeability als persönliche Chance begreifen und stärken können, erfahren Sie hier.

Wo glauben Sie, wären wir heute, hätten wir die Veränderungskompetenz des Urmenschen homo erectus? Wir wären definitiv nicht hier! Ende 2020 konnten Forscher*innen der Universität Neapel anhand von Modellierungen zeigen, dass eine fehlende Anpassung an klimatische Veränderungen am Aussterben fast aller Urmenschenarten entscheidend beteiligt war. Einzig der homo sapiens konnte überleben, weil er sich schnell genug an Eiszeiten bzw. wärmere Phasen anpassen konnte. Unser Glück, dass dieser moderne Mensch offen für Veränderung und Anpassung war! Ein wahres Role Model! Unsere Veränderungskompetenz sichert unser Überleben, sagte bereits Darwin. Wie wir darüber hinaus die Changeability* als persönliche Chance begreifen und stärken können, behandelt dieser Text.

*Mit Veränderung im Sinne von Changeability ist die menschliche Veränderungskompetenz gemeint und nicht das Organisieren von Veränderungsprozessen (Change Management).

„Intelligenz ist die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen.“ Haben Sie eine Idee, welche
Berühmtheit das so treffend formulierte? Die Auflösung folgt.

Wir leben in einer von VUCA (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) geprägten,
modernen Welt. Sie wird durch zwei entscheidende Kräfte noch unberechenbarer: Technologie und Globalisierung. Die Intervalle zwischen massiven Veränderungen werden
immer kürzer. Alles verläuft immer schneller, immer tiefgreifender, immer komplexer.
Einfache Lösungen greifen nicht mehr. Und die Pandemie potenziert diese Umbrüche. Es
bleibt uns zwangsläufig gar nichts übrig, uns zu verändern und anzupassen!

Dieses Video ist ein Auszug der ELUCYDATE Online Trainings zum Thema "Changeability stärken". Mehr E-Learning-Kurse zu Soft Skills & Digitalkompetenzen finden Sie hier.

Veränderung bedeutet Weiterbildung

Auch im Arbeitskontext werden wir mit komplexeren Anforderungen in kürzer werdenden
Abständen konfrontiert. Fast alle Unternehmensbereiche sind von der digitalen Transformation betroffen. Studien des IFIDZ zum Thema Kompetenzen von Beschäftigten ergaben, dass die Veränderungsfähigkeit mit 39 Prozent auf Rang 2 liegt – nach Kommunikationsfähigkeit (57 Prozent) und vor Wertschätzung bzw. Mitarbeiterorientierung (33 Prozent). Auch das lob Magazin nennt Zahlen aus einer Befragung zu „Innovation & Zukunft“ (2015). Für 55 Prozent der befragten Frauen steht danach die Veränderungsbereitschaft sogar an der Spitze der wichtigsten Zukunftskompetenzen.

Eine Studie (Rundstedt, Index Research und Personalmagazin) aus 2020 zum Thema Workforce Transformation zeigt, dass 51 Prozent der befragten HR-Verantwortlichen die „Veränderungsbereitschaft, Flexibilität und Adaptionsfähigkeit“ als die wichtigsten, zu entwickelnden Fähigkeiten bei den Beschäftigten betrachten. Positiv betrachtet: Es gibt für den Weiterbildungsmarkt viel zu tun!

Gestützt wird diese Prognose vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Es hat berechnet, dass durch die Digitalisierung etwa 1,5 Millionen Jobs in Deutschland bis zum Jahr 2025 wegfallen; ganze Berufsbilder verschwinden, leider! Allerdings entstehen – an anderer Stelle und in noch nicht etablierten Berufsfeldern – 1,5 Millionen neue Jobs. Die Auswirkungen auf die Unternehmen hat das World Economic Forum (WEC) quantifiziert: Rund 58 Prozent aller Beschäftigten werden massive Neu- und Weiterqualifizierungen benötigen, ein Fünftel sogar eine zusätzliche Ausbildung oder Umschulungsmaßnahmen. Im Klartext: Wir können uns auf eine Menge Neuland in Job & Beruf einstellen!

Alles anders, alles neu – warum viele Menschen Rot sehen

Veränderung ist allgemein definiert als ein „Wechsel von einem (alten) Zustand in einen anderen (neuen)“ sowie das Resultat dieses Wechsels. Aber was bedeutet Veränderung konkret? Sie bedeutet alte Muster und Pfade zu verlassen, auf unbekannte Dinge zu stoßen, Neues zu lernen, unbekannten Untergrund zu betreten, Hürden zu nehmen und auch Grenzen zu überwinden.

Vielen Menschen ist das unangenehm; bei manchen löst es Gefühle aus wie Unbehagen, Bedrohung, Skepsis, Verunsicherung oder Angst. Kurz: Bei Veränderung droht Kontrollverlust gefolgt von Angst als Fluchtreflex – ein Überbleibsel der Evolution. Daher fällt es vielen schwer, die eigene Komfortzone zu verlassen – denn die ist kuschelig; sie gibt uns Geborgenheit, Halt und Sicherheit.

Woher nehmen wir Stabilität und Orientierung?

Um nicht bei der kleinsten Abweichung von der Norm die Balance zu verlieren, stattdessen sicher durch diese irre Zeit zu navigieren, benötigen wir Stabilität und Halt. Was uns persönlich stärken kann und damit sogar Teams in Unternehmen unterstützt, sind Instrumente wie Meditation und Achtsamkeitsübungen. Verschiedene Studien ergaben interessante Ergebnisse, nicht nur für die Betroffenen selber, auch für die Zusammenarbeit im Team:

  • Wir erlangen ein stärkeres Vertrauen in uns selbst. Mit einem gesunden Grundvertrauen gehen wir gelassener mit Störfaktoren um. Damit dient es nicht nur jeder einzelnen Person, sondern auch dem gesamten Team.
  • Mit Lust, Neugier und Mut für Ungewisses fällt es uns leichter, neue Wege zu gehen. Die innere Haltung wird offener, wenn wir regelmäßig Neues praktizieren. So haben wir z. B. in jüngster Vergangenheit gelernt, dass digitales Arbeiten entgegen vieler Prognosen möglich und für viele inzwischen tägliche Routine geworden ist.
  • Sind uns unsere Energien und Ressourcen bewusst, können wir als Einzelne diese besser nutzen und zielgerichteter einsetzen. Davon profitiert auch das gesamte Team, weil es lösungsorientierter arbeitet. So können Konflikte, Hindernisse in der Kommunikation oder bei persönlichen Hürden leichter gelöst werden.
  • Je klarer wir wissen, wer wir sind, welche Werte uns wichtig sind und wie unsere
    Identität ist, umso eher sind wir uns bewusst, welches Setting zu uns passt. So finden
    wir leichter das passende Arbeitsumfeld, mit dem wir uns identifizieren.

Chance oder Bedrohung, Fortschritt oder Stillstand? Die innere Haltung entscheidet!

Laut einer Studie von ComTeam zum Thema Changeability (2015) in Unternehmen sind es diese drei generellen Motivatoren für Veränderung:

  1. Neugier/Lust auf Neues
  2. Positive Herausforderung
  3. Weiterentwicklung/besser werden.

Letztlich können wir uns das Leben einfacher machen: Mit einer positiven Einstellung, der Lust Neues zu lernen, intrinsisch motiviert besser werden zu wollen, sich an Unbekanntes heranzuwagen und mutig auszuprobieren, gelingt es besser, neue Tatsachen zu akzeptieren und das eigene Handeln darauf auszurichten. Das bestätigt u. a. Professor Dr. Jutta Heller, Expertin für Resilienz. Besonders eine positive Grundhaltung gegenüber Veränderungen ist für sie die Grundvoraussetzung, um in der VUCA-Welt klarzukommen. Als veränderungskompetent bezeichnet sie diejenigen, die Veränderungen als spannende Herausforderung annehmen und sich nicht von diesen bedroht fühlen und sie womöglich meiden.

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Veränderung ist zunächst eine Frage des Wollens

Nach Heller besteht die Veränderungskompetenz einer Person aus zwei Elementen: der Veränderungsbereitschaft – dem Wollen – und der Veränderungsfähigkeit – dem Können (das einen separaten Part verdient und hier außen vor bleibt).

Der Motor für Veränderung ist die Veränderungsbereitschaft. Sie zeigt sich in klar formulierten Zielen, Zielorientierung, dem Hinterfragen des Status Quo, einem Willen zur Veränderung sowie der engagierten Umsetzung. Wie stark die Veränderungsbereitschaft ausgeprägt ist, hängt sowohl von der genetischen Veranlagung als auch von der persönlichen Erfahrung ab. Heißt: Ist noch Potenzial vorhanden, können wir – zum Teil jedenfalls – gezielt nachbessern zum Beispiel via Weiterbildung oder von neuen Arbeitsmodellen profitieren (Job-Rotation, Teilzeit-Tandems u. v. a. m).

Exkurs: Zu welchen extremen Anpassungen der Mensch fähig ist

Hier kommt die Auflösung vom Anfang: „Intelligenz ist die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen.“ Diese Worte stammen von Stephen Hawking (1942-2018), dem theoretischen Physiker aus Großbritannien. Er hat nicht nur unsere Sicht auf Schwarze Löcher grundlegend verändert (Hawking-Strahlung), da er Einsteins Theorie mathematisch widerlegt hat. Veränderung spielte auch für ihn persönlich eine zentrale, wenngleich tragische Rolle. Mit nur 21 Jahren diagnostizierte man eine ALS-Erkrankung. Die Ärzte prognostizierten ihm eine Handvoll Lebensjahre. Er stürzte sich in seine Arbeit und hatte den extremen Willen, seine ihm verbleibende Zeit möglichst sinnvoll zu nutzen. Dabei musste er mit sich ständig verändernden, massiven, körperlichen Einschränkungen kaum vorstellbaren Ausmaßes zurechtkommen. Er lebte entgegen aller Erwartungen weitaus länger und wurde 76 Jahre alt. Genau betrachtet, war dies auch eine Form des Über-Lebens.

Fazit

Sind wir mit einer starken Veränderungsbereitschaft ausgestattet – neben entscheidenden Fähigkeiten wie Lösungsorientierung, Selbstwirksamkeit, Akzeptanz etc. – können wir den täglichen Herausforderungen der VUCA-Welt souveräner begegnen. Die Lust auf Wandel, vielleicht eine neue Sprache, ein Instrument zu lernen, neue IT-Tools wie Videosoftware anzuwenden, mit einer Um- oder Fortbildung unbekanntes Gelände zu betreten – das alles kann unser Leben bereichern, uns neue Eindrücke verschaffen, uns inspirieren und frisch im Kopf halten. Und schließlich wollen wir uns doch weiterentwickeln – oder wollen Sie Anteil daran haben, dass der moderne Mensch ausstirbt? Das erklären Sie mal Ihren Kindern…

New Work, Learning and Development, Soft Skills