Nicole Thurn ● 5.6.2019
7 Gründe, warum die Digitalisierung unsere Gesellschaft verbessert
Die digitale Transformation unseres Lebens schreitet voran. Arbeit, Wirtschaft, Freizeit: Es gibt wohl keinen Bereich, der nicht von der digitalen Welle erfasst ist. Sieben positive Auswirkungen auf Job, Bildung, Gesundheit und Co. erfahren Sie hier.
Die digitale Transformation ist der am schnellsten fortschreitende Evolutionssprung in der Menschheitsgeschichte, und sie macht nicht ohne Grund Angst. Während wir gebannt auf die nächste Staffel der düster-visionären Netflix-Serie „Black Mirror“ warten, holt die Realität nach und nach die Fiktion ein. Mit dem Avatar des Kollegen aus Fernost kommunizieren: Kein Problem. Horrorhafte Kriegsroboter in den Krieg schicken: möglich. Ein autokratischer Weltkonzern, der die Menschheit über riesige Datenmengen kontrolliert. Ein lernender Chatbot, der das Kommunikationsverhalten des Users scannt und nach dessen Tod täuschend echte Nachrichten verschickt, quasi als virtueller Wiedergänger: auch das ist bereits indirekt möglich mit der App „Replika“, deren K.I. beim – ziemlich intelligenten – Chatten zu einer digitalen Kopie von einem selbst mutiert.
Bei solchen Beispielen fällt es manchmal schwer, nicht ins Gruseln zu kommen. Natürlich ist der Missbrauch der Digitalisierung schädlich. Doch wir können mit ihrer Hilfe die Gesellschaft, die Wirtschaft und auch die Politik zum Besseren verändern.
Hier sind 7 Felder, in denen die Digitalisierung unsere Gesellschaft bereichert:
1. Gehirngerechte Bildung für alle: Wissen war noch nie so greifbar. Das Internet ist voll von Wissen und Expertinnen: Früher wurde das Wissen von qualifizierten Lehrpersonen per Frontalunterricht eingetrichtert. Gehirngerecht ist das nicht.
Ideal ist individualisiertes auf den Lernbedarf abgestimmtes Lernen mit visuellen, auditiven Elementen, in kleineren Häppchen und mithilfe von Erfahrungsaustausch und Reflexion.
Heute lernen die Teilnehmer selbstgesteuert über Augmented und Virtual Reality, über Online-Vorträge, Webinare und animierte Lehrvideos sowie über virtuelle Lerngruppen und Online-Foren. Und zwar informell, spielerisch und nachhaltig, weil das Wissen so viel besser im Gehirn gespeichert wird. Im Training-on-the-Job hilft Augmented bzw. Virtual Reality bei der Einschulung von Mitarbeitern. Produzenten wie Bosch oder BMW nutzen die Technologie für Schulungen. Über die Augmented-Reality-Brille sehen die Teilnehmer per Anzeige, was sie in der gegenwärtigen realen Situation tun müssen. Über Virtual Reality bedienen sie in der virtuellen Welt beispielsweise ein Auto in 3D. Schüler und Lehrer treffen einander im virtuellen Raum.
2. Revolution in der Medizin: Manche vergleichen es mit der Entwicklung des Penicillins. Die Digitalisierung in der Medizin durch Robotik und Künstliche Intelligenz wird Forschung und Anwendung rasant verbessern. Das zeigt das drastische Beispiel des Stanford-Professors für genetische und personalisierte Medizin, Michael Snyder. Er hatte sich selbst mit Wearables und Smartwatches ausgestattet, die täglich seinen Gesundheitszustand überwachten. Irgendwann schlug die Technik Alarm und Ärzte diagnostizierten bei ihm Borreliose. Auch Krebs kann mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz in bildgebenden Verfahren sehr früh erkannt werden. Per ferngesteuerter Robotik können Experten der Chirurgie weltweit operieren. Snyder geht davon aus, dass das Monitoring durch digitale Systeme, die Diagnostik und Auswertung von Gesundheitsdaten durch Künstliche Intelligenz viel schnellere und effektivere Ergebnisse erzielen. Snyder schätzt, dass in zehn Jahren Wearables zur Überwachung des eigenen Gesundheitszustands zum Alltag gehören. Auch die psychische Gesundheit wird zunehmend als Geschäftsmodell entdeckt: Apps zu Selbstcoaching, Selbstfürsorge und Meditation gibt es ebenso wie Psychotherapie per Klick, wie etwa über die Plattform Instahelp.
3. Effektive Zusammenarbeit: Noch nie war es einfacher, am selben Tisch mit einem Kollegen zu sitzen und dennoch 5000 Kilometer voneinander entfernt zu sein. Virtuelle Meetings haben Nachteile in der Beziehungspflege, für fachlichen Austausch und ergänzende Projektarbeit rund um die Uhr sind sie allerdings unschlagbar. Auch mit Kunden kann so zeit- und ortsunabhängig flexibel kommuniziert werden. Collaboration Apps bieten Foren für Austausch, das gemeinsame Arbeiten an virtuellen Dokumenten ist ortsunabhängig gut machbar, visuelle Möglichkeiten unterstützen den Arbeitsprozess. Alle Beteiligten eines Projekts können rasch auf denselben Wissensstand gebracht, der Workflow effektiv gestaltet werden. Agiles Arbeiten liegt schwer im Trend.
Die besten Collaboration-Apps im Vergleich:
4. Neue Businessmodelle: Mit der Digitalisierung haben die smart factory und Robotik in der Industrie Einzug gehalten. Nicht nur Startups, auch traditionelle Branchen entdecken die disruptive Kraft der Digitalisierung und erforschen neue Geschäftsmodelle. Künstliche Intelligenz wird zum Wirtschaftsfaktor: Die Interaktion zwischen Unternehmen und Kunden wird zunehmend über intelligente Chatbots abgewickelt. Sie wird zur Analyse, Auswertung und Prognose von Kundendaten verwendet, kommt in der Produktion zur Anwendung und wird sicher auch noch verstärkt strategisch einfließen. Die Digitalisierung hat zudem zum Boom der Sharing Economy geführt, wie nicht nur die Reiseplattform Airbnb zeigt. Fahrdienstanbieter Uber oder sein Konkurrent Lyft vermitteln private Fahrer an Kunden. Die Plattform Foodsharing.de ermöglicht das Verteilen von Essen aus privaten Haushalten oder Unternehmen. Die Blockchain-Technologie dürfte zudem mit der Möglichkeit zur datengesicherten Transparenz viele Geschäftsbereiche revolutionieren – vom Bankenbereich bis zur Logistik und Warennachverfolgbarkeit.
5. Kundennähe wie nie: Noch nie war die Nähe zum Kunden einfacher und Feedback rascher einzuholen wie über digitale Tools. Marken können über Virtual Reality Rundgänge erlebbar gemacht, die Vorteile von Produkten den Kunden im Detail gezeigt werden. Das Startup ZReality, eine Ausgründung der Hochschule Kaiserslautern, bietet etwa solche virtuellen Lösungen für Unternehmen an. Und Virtual Reality ermöglicht auch zusätzliche Produkte mit Werbeeffekt: etwa die virtuelle Zeitreise in eine Stadt durch die ZReality-Software „VR Timetravel“. Die Kunden werden über digitale Tools in Echtzeit die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen einbezogen. Internetbasierte Ideation und User Design Tools sowie Analyse- und Testsoftware helfen dabei, ihre Ideen und Meinungen zu sammeln.
6. Demokratisierung und Zivilgesellschaft vorantreiben: Die junge Klima-Aktivistin Greta Thunberg hätte ohne Social Media niemals eine Million Jugendliche weltweit mobilisiert. Und spätestens seit Wikileaks ist klar, was die Digitalisierung für die Transparenz von Politik und Wirtschaft bedeuten kann – und welche Macht die Kontrolle von Big Data bedeutet. Wer Social Media und ihre Algorithmen besser kontrolliert, so scheint es, baut seine Macht aus. Der Grat zwischen informierter und fehlinformierter Wählerschaft ist dünn. Andererseits ist es heute möglich, Politik über die Einbeziehung der Wähler in Online-Formaten responsiver zu gestalten. Verschwörungstheorien verbreiten sich schneller als man Fake News sagen kann. Dennoch bedeutet die Digitalisierung auch: eine rasche digitale Verbreitung von sozialen und sonstigen Missständen und Ungerechtigkeiten in politischen und wirtschaftlichen Systemen fördert das soziale und ethische Bewusstsein der Bevölkerung. Das wiederum ruft die Zivilgesellschaft, Social Businesses und gemeinnützige Organisationen auf den Plan, die diese Missstände beseitigen – oder ermöglicht mehr Transparenz bei politischen Umwälzungen. Allerdings ist die Digitalisierung hier per se natürlich zweischneidig: Rohstoffausbeutung und soziale Missstände entstehen nicht zuletzt durch den hohen Verbrauch von Servern und Materialien wie seltene Erden im Zuge der Digitalisierung. Die neue Social Media Plattform Voice will demnächst dank Blockchain übrigens ohne Fake News und Werbung auskommen.
7. Chance für Entwicklungsländer: Afrika ist der erste „mobile-only“ Kontinent: 60 Prozent der 1,2 Milliarden Menschen auf dem Kontinent besitzen ein Mobiltelefon. Immer mehr Menschen haben so auch Zugang zu neuen Technologien. Bisher waren viele Afrikaner von Banknetz abgeschnitten – in ländlichen Gebieten gab es schlicht keine Bankfilialen. Der kenianische Bezahldienst und Weltmarktführer M-Pesa hat das geändert: Er bietet seinen rund 21 Millionen aktiven UserInnen die Möglichkeit, Geldtransfers und Zahlungen in Supermärkten, Apotheken, Shops mit einfachen Handys vorzunehmen und über Apps Mikrokredite aufzunehmen. Rund die Hälfte der Wirtschaftsleistung Kenias wird inzwischen über den Bezahldienst abgewickelt. Auch der Zugang zu Strom wird innovativ gelöst: Ländliche, von Infrastruktur abgeschnittene Haushalte können über Mini-Solarstrom-Aggregatoren Licht generieren. In Ruanda beliefern Drohnen des Startups Zipline entlegene Krankenhäuser mit Bluttransfusionen. Dieser Innovationssprung über die Digitalisierung wird Leap Frogging genannt. Dabei werden Zwischenschritte der westlichen technologischen Entwicklung übersprungen – wie etwa Bankfilialen, Netbanking oder ein staatliches Stromnetz.