Britta Bonten ● 31.12.2020

Resilienz stärken für den neuen Arbeitsalltag

Resilienz bezeichnet die Fähigkeit, Krisen und äußerem Druck Stand zu halten. Wie uns das im Alltag und Beruf besser gelingt erfahren Sie hier.

Geht es Ihnen auch so, dass Ihnen alles rund um Krise & Corona zu viel wird? Damit wir uns in diesen Zeiten nicht wie bei einem Schleudertrauma fühlen, sondern unseren „neuen“ Arbeitsalltag bewältigen, brauchen wir ein stabiles Innenleben und gute Abwehrmechanismen. Die Natur ist generell ein guter Ideengeber, wenn wir Hilfestellung brauchen, wie wir aus der Bionik wissen. In Sachen Widerstandskraft können wir zum Beispiel von Bäumen lernen.

Wie Bäume ihren harten Kern bilden

Da sie schon immer mit extremen Umwelteinflüssen umgehen mussten, haben sich Bäume im Laufe der Zeit besondere Fähigkeiten angeeignet. Hat der Stamm z. B. an einer Stelle zu viel Spannung, verdicken sich dort die Jahresringe und stabilisieren ihn so. Ausgerechnet kleinere Bäume, die oft im Schatten von großen stehen, werden uralt. Sie wachsen durch weniger Licht und Nährstoffe viel langsamer und haben infolge dessen kleinere Jahresringe. Daraus bildet sich aber ein besonders hartes Holz, das den Baum wiederum vor Pilzen und Schädlingen schützt. Dieses spätere Kernholz gilt als extrem hart und bruchsicher! Bäume sind wahre Selbstoptimierer…

Was uns beruflich und persönlich herausfordert

Wie können wir unseren Umgang mit Krisen optimieren, um den neuen Anforderungen im Arbeitssetting gerecht zu werden? Grenzen zwischen work & life verschwimmen, oft gibt es nur einen „Lebensraum“ für beides. Ständig erreichen uns neue digitale Tools, die wir erlernen müssen, um am Arbeitsleben teilnehmen zu können. Eine Videokonferenz jagt die nächste. KollegInnen schrumpfen auf Zentimetergröße und sitzen uns in Kacheln gegenüber. Der Druck, uns ständig neu ausrichten zu müssen, ist groß wie nie.

Dazu kommen noch persönliche und familiäre Herausforderungen. Denn die Pandemie zeigt uns ihre vielen Gesichter: wirtschaftlicher Einbruch, finanzielle Nöte, der womöglich eigene Arbeitsplatzverlust, die fehlende menschliche Nähe, gesellschaftliche Spannungen u.v.m. Unser Leben verläuft seit Kurzem komplett anders. Die im Sekundentakt auf uns einprasselnden „bad news“ und der fehlende, Ausgleich schaffende Spaßfaktor unseres Vor-Pandemie-Lebens, zerren an unseren Nerven; viele fühlen sich insgesamt emotional überfordert.

Resilienz ist nicht in unserer DNA

Um gesund zu bleiben, innen wie außen, brauchen wir – salopp gesagt – ein „dickes Fell“, das wir unter dem Begriff Resilienz näher betrachten. Resilienz geht zurück auf das lateinische Verb resilire „zurückspringen, abprallen“. In unserem Kontext bezeichnet Resilienz die Fähigkeit, persönliche Rückschläge abprallen zu lassen und äußerem Druck Stand zu halten. Gleichzeitig reagieren Personen mit hoher Resilienz flexibel, bewältigen die Stressoren und bleiben psychisch unversehrt. Widerstandsfähigkeit oder innere Stärke werden oft als Synonyme verwendet.

Resilienz ist uns Menschen nicht in die Wiege gelegt und bei jedem Menschen unterschiedlich ausgeprägt. Aber: Resilient(er) zu werden, ist erlernbar und kann trainiert werden.

Konzept der Sieben Säulen

Erst seit den 1950er Jahren schenken Wissenschaftler der noch jungen Disziplin Resilienz Aufmerksamkeit und haben seitdem verschiedene Modelle aufgestellt und Resilienz-Faktoren untersucht. Als Quintessenz verschiedener Vorgänger kann das Modell Die Sieben Säulen der Resilienz (angelehnt an die WissenschaftlerInnen Rampe, Reivich, Shatté, Wiebel) bezeichnet werden, das sieben Schutzfaktoren umfasst, wovon vier Faktoren die grundlegenden Einstellungen bezeichnen. Die drei weiteren Faktoren skizzieren Fähigkeiten, die wir trainieren können. Sie alle helfen uns, unsere innere Widerstandskraft zu stärken und auszubauen.

Resilient durch Alltag und Beruf

Das Mindset resilienter Menschen bestimmt sich durch vier Grundhaltungen:

  1. Akzeptanz statt Verdrängung. Einschneidende Erlebnisse kann man erst dann verarbeiten, wenn man sowohl unverrückbare Tatsachen akzeptiert, als auch seine persönliche Situation annimmt und sich dieser stellt. Also raus aus der Opferhaltung, rein in die Siebenmeilenstiefel.

  2. Soziale Unterstützung und Netzwerke sind gerade in Krisenzeiten enorm wichtig, da sie unser Bedürfnis nach menschlicher Nähe stillen. Sich mit anderen regelmäßig auszutauschen stärkt nicht nur die Einschätzung der persönlichen Situation, sondern aktiviert auch jedes Mal das kognitive System – quasi ein mentales Fitness-Training.

  3. Lösungsorientierung hilft uns nach vorne zu blicken. Sich klare Ziele zu setzen und diese in realistische Teilziele zu stückeln, kann hierbei unterstützend sein; und wenn die Ziele auch noch nachvollziehbar, messbar und kontrollierbar sind, dann kann einen auf dem Weg zu mehr Resilienz nicht mehr viel aufhalten.

  4. Optimismus legt den Grundstein für eine starke Psyche. Sich vor Augen zu führen, welche positiven Erlebnisse man erfahren hat, steigert das An-Sich-Glauben auch in Krisen. Ein guter Begleiter für diesen Lernprozess ist ein Tagebuch, in das man seine persönlichen, auch die kleinen, Erfolge notiert. Dadurch, dass wir dankbar sind für die kleinen Erfolge und die schönen Dinge des Lebens sehen, werden unsere Denkmuster unterbrochen und unser Fokus richtet sich auf eine positive Haltung.

Die folgenden drei Fähigkeiten Selbstwahrnehmung, Selbstreflexion und Selbstwirksamkeit müssen wir regelmäßig üben, um unsere persönliche Widerstandskraft trainieren und zu stärken. Denn wir können nur resilient(er) werden, wenn wir sie in unseren Alltag einbauen und im Kleinen beginnen. Wir bringen uns dabei als wichtigste Person ins Zentrum der Aufmerksamkeit. So können wir auch lernen, uns abzugrenzen, nein zu anderen zu sagen. Das gehört zu einem gesunden Ego dazu und hilft unserem psychischen Wohlbefinden. Zum Prozess des Lernens mit Übungen und Wiederholungen gibt es keine Alternative. Auf Knopfdruck ist Resilienz nicht zu haben.

  1. Selbstwahrnehmung heißt, auf seinen Körper und Geist zu hören, denn beide machen sich bemerkbar und senden Signale aus. Diese gilt es zunächst wahrzunehmen, zu erkennen und schließlich einzuordnen. So gelingt es uns, unsere Sinne zu schärfen und achtsamer zu werden für unsere Bedürfnisse, körperlich wie geistig. Die Achtsamkeitslehre, verbunden mit Atemtechniken, Meditation etc. gibt uns eine gute Trainingsmethode.

  2. Selbstreflexion geht einen Schritt weiter, indem wir uns selbst aus einer Perspektive von außen betrachten. So können wir unsere Handlungen, aber auch Denkmuster, Gefühle und Gewohnheiten hinterfragen. Wir treten mit uns selbst in einen Dialog, bei dem Fragen behandelt werden wie „Was habe ich gemacht, dass die Situation (nicht) gut wurde? Was kann ich bei der nächsten Situation ändern?“ Reagieren wir emotional, so ist meist ein Bedürfnis damit verbunden, an dem wir anschließend besser arbeiten können.

  3. Selbstwirksamkeit praktizieren wir immer dann, wenn wir für unser Tun einstehen und uns über die Folgen unseres Handelns im Klaren sind. Dazu zählt auch, sich bewusst von z. B. toxischen Themen/Personen abzugrenzen, die einem Kraft rauben oder Stressoren sind. Mithilfe von bspw. Erfolgs-Tagebüchern oder Ankersetzen können wir in Krisen positive Assoziationen abrufen.

Wenn wir Stress erleben, können wir die zuvor benutzten Tools wie aus einem Handwerkskasten hervorziehen, einsetzen und uns so selber helfen. Wir lernen flexibler und gelassener auf äußere Umstände zu reagieren.

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Die Rolle von Wertschätzung

Unabhängig von Resilienz-Modellen hat eine Untersuchung beim Schweizer Militär (2010) ergeben, dass wir leichter mit Drucksituationen im beruflichen Umfeld umgehen können, wenn wir wertgeschätzt werden und unsere Arbeit gewürdigt wird. Trotz Überbelastung war die Arbeitszufriedenheit bei wertschätzender Kommunikation, Belohnung und Anerkennung durch Vorgesetzte und KollegInnen um 17 Prozent höher als ohne! Wenn Wertschätzung und Anerkennung zu den Katalysatoren für Resilienz gehören und wir auf diese Art Einfluss nehmen können, sollten wir uns auf dem Weg zu mehr innerer Widerstandskraft gegenseitig unterstützen. Denn wie einfach ist es, andere im digitalen Raum zu loben, ihre Leistung anzuerkennen und wertschätzend zu kommentieren mit Emojis und Gifs! Oder mit einem schlichten DANKE oder GUT GEMACHT via E-Mail, Chat oder Direct Message! Last but not least, kann man Wertschätzung auch im analogen Raum sehr gut praktizieren.

Fazit:  

So wie die stabilen und gesunden Bäume nur langsam wachsen, brauchen auch wir Zeit und Geduld, um innerlich zu wachsen. Neben Hilfsmitteln wie Erfolgstagebüchern, Ankersetzen, Achtsamkeitsübungen, Austausch mit Sozialkontakten und auch einer wertschätzenden Kommunikation, helfen Routinen und regelmäßige Tätigkeiten zu festen Zeiten, die uns wie Leitplanken durch den Tag führen. Jedes Üben, jedes Wiederholen und sich trotz vermeintlicher Rückschritte immer wieder neu auf- und auszurichten, stärken langfristig unser Mindset für mehr innere Stärke und Stabilität.

New Work, Soft Skills