Nicole Thurn ● 5.2.2021

Team-Hacks für mehr Resilienz

Die ersten Erfahrungen mit Krise, Lockdown und Home Office sind gemacht. Was hat geholfen? Was hilft uns weiterhin? Tipps für mehr Resilienz im Team.

Teams sind in der Corona-Krise gefordert: die Kommunikation läuft virtuell und in Produktionsteams, im Verkauf und im Gesundheitswesen ist man gesundheitlichen Risiken ausgesetzt und muss sich an strenge Vorschriften halten. Die Stimmung ist zwangsläufig angespannt.

Der Mensch ist ein adaptives Wesen. Unser Gehirn lernt täglich dazu. Meist haben wir es vor Corona gar nicht sonderlich bemerkt, wie wir uns an die kleinen und größeren neuen Dinge des Lebens anpassen konnten: das neue Smartphone mit dem ungewohnten Betriebssystem, der neue Kollege, die fremde Stadt, in die wir gezogen sind, die neuen Schwiegereltern, die ums Eck wohnen, das Leben mit Baby usw. Und doch tun wir es ständig. Hören wir irgendwann auf damit, sind wir, naja gelinde gesagt: tot. Jede Veränderung führt zwangsläufig zum Lernprozess, ob gewollt oder nicht, ob bewusst oder weniger bewusst. Und mit jeder einschneidenden schmerzlichen Erfahrung werden wir eine Spur erfahrener, weiser und auch resistenter gegen die Erschütterungen des Lebens. Resilienz ist ein Modewort, das keines sein sollte. Denn: Sie hilft der Menschheit seit Anbeginn ihrer Existenz dabei, die nächste Krise zu meistern. Diese emotionale und psychologische Widerstandsfähigkeit ist manchen Menschen per genetischer Disposition in die Wiege gelegt, doch niemals sind es die Gene allein: die Sozialisation, die Sicherheit und Stabilisierung durch Bezugspersonen in der Kindheit etwa sind laut Studien ausschlaggebend dafür, dass wir auch Krisenzeiten gut meistern. 

Für Teams gibt es zahlreiche Möglichkeiten, auch virtuell ihre Resilienz in der Krise zu stärken:

Auskotz-Meeting:

Manchmal muss es einfach raus. Viele von uns sind durch die Lockdown-Phasen, die Ungewissheit und die angespannte wirtschaftliche Lage langsam demotiviert und frustriert. Die Tage sind kurz, die Dunkelheit und Tristesse tun ihr Übriges. Auch läuft nicht immer alles, wie es soll. Kunden springen ab oder gar nicht erst an. Wichtig für die emotionale und psychologische Hygiene ist es also, nicht immer nur sozial erwünschte Zuversicht und Optimismus zu versprühen, sondern auch, sich mal richtig auszukotzen. Wir sind eben auch Menschen und müssen zuerst das Negative loslassen, um den unverstellten, freien Blick auf die Lösung zu kriegen. Da unser Gehirn aber eher negative Bewertungen als positive produziert, sollten wir es auch nicht beim Rumpamphleten belassen. Daher rate ich dazu, das Auskotzmeeting mit Timeboxing zu kombinieren: jeder darf drei Minuten mal sagen, was ihm so richtig auf den Zeiger geht. Und dann ist es auch wieder gut. Achtung: gegen Kollegen oder Vorgesetzte zu schießen ist keine gute Idee, man kann aber durchaus sagen: „Mein Kleinkind wollte heute bei Minusgraden ein Sommerkleidchen anziehen, ich bin eine halbe Stunde im Stau gestanden und die Frist für die Präsentation stresst mich, weil ich das Gefühl habe, nicht genug Zeit für Recherche zu haben.“

Meditations- oder Entspannungsgruppe:

Nicht jeder kann etwas damit anfangen, dabei sprechen Gehirnscans und damit verbundene Studien Bände: wer meditiert, nutzt mehr von seinen grauen Zellen, ist erholter, weniger gestresst und gelassener und reagiert emotional stabiler auf Ausnahmesituationen. Das bedeutet: wir haben den Kopf frei von Frust, Anspannung und Ärger und können unsere Energie auf Lösungen und das Lernen neuer Fähigkeiten fokussieren.

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Mastermind-Abend:

Nach einer Idee von Napoleon Hill können wir die Kraft des Teams bzw. der Gruppe nutzen, um neue Lösungswege für persönliche berufliche Herausforderungen zu finden. Die einen tun sich im Home Office schwer, die anderen tüfteln an einem Projekt, die nächsten haben Probleme mit dem Vorgesetzten. Zur – virtuellen oder physischen – Mastermind-Runde kommen vier bis sechs Personen zusammen, von denen eine 15 bis 20 Minuten Zeit erhält, ihre Herausforderung (im sogenannten „Hot Seat“) vorzutragen. Im ersten Schritt stellen die anderen Fragen, um das Problem oder das Geschehene besser zu verstehen. In einer nächsten Runde geben sie Feedback, erzählen von ihren Erfahrungen, geben Tipps und zeigen mögliche Lösungen auf. Wichtig: es geht nicht darum, andere abzuwerten und das eigene Ego aufzublasen oder sich mit „seiner Lösung“ durchzusetzen. Die Person im „Hot Seat“ soll möglichst viele Anregungen erhalten, die sie dann weiterverarbeiten kann. Alle 20 Minuten wird durchgewechselt. Ich baue dieses Format inzwischen auch in meine Workshops ein: es ist für jeden Teilnehmer eine große Bereicherung.

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Team-Journal anlegen:

Die Buddhisten wissen es längst, doch auch die Positive Psychologie empfiehlt, unseren „Dankbarkeitsmuskel“ im Gehirn zu trainieren. Das Gehirn ist evolutionsbiologisch nämlich dank der Amygdala auf potenzielle Gefahren und negative Ereignisse fokussiert – in Zeiten wie diesen schlägt sie schnell Alarm. Mit Dankbarkeit setzen wir ihr etwas entgegen: dadurch wird nämlich das „Belohnungszentrum“ (das in verschiedenen Hirn-Arealen stattfindet) aktiviert. Ein gemeinsames Team-Journal kann hier wahre Wunder wirken. Dort schreiben die Teams alles hinein, was gelungen ist, etwa: Welche Erfolge habt ihr in der vergangenen Woche gefeiert? Wofür seid ihr dankbar? Was habt ihr euch für die nächste Woche für eine noch bessere Kommunikation und mehr Zusammenhalt vorgenommen – abseits von inhaltlichen Zielen? Dieses (virtuelle) Team-Journal sollte wie ein kleiner Schatz gehütet werden. Und immer, wenn es nicht so gut läuft oder man Motivations-Durchhänger hat, führt auch das Reinschmökern wieder zu mehr Zuversicht, denn: das Team hat schon einiges geschafft und wird auch die künftige Herausforderung meistern.

Geben statt nehmen:

In Krisenzeiten ist der Zusammenhalt wesentlich. Allerdings: Unter Stress und Druck kann die Stimmung rasch ins Negative kippen. Wenn wir anderen etwas geben oder schenken oder einfach etwas für sie tun, löst das nicht nur bei ihnen einen Dopaminregen aus, sondern auch bei uns selbst. Das muss man nicht verordnen, kann man aber. Dropbox hat vor einigen Jahren die „Cupcake-Kultur“ eingeführt: die Mitarbeiter werden immer wieder daran erinnert, für andere Kleinigkeiten zu tun – einfach, weil es für gute Stimmung sorgt. Und für eine Vertrauenskultur. Inzwischen passiert es automatisch: man schickt den Lift nach oben, damit die anderen nicht warten müssen.

Done-Liste statt To Do:

Wir alle kennen das: die To-Do-Liste wird immer länger und am Ende des Tages hat man das Gefühl, kaum etwas davon erledigt zu haben. Denn derzeit gibt es einfach häufig mehrere Baustellen gleichzeitig – und so manches To Do kommt unerwartet daher. Hinzu kommt die Selbstorganisation im Home Office, die auch nicht immer einfach ist. Daher ist es nicht nur wichtig und beglückend, die „To Dos“ von der Liste zu streichen, sondern am Ende des Tages auch eine „Done“-Liste zu schreiben. Das nimmt den Frust. Denn oft haben wir viel mehr getan, als wir glauben. Die Done-Liste sollte jeder Einzelne führen – aber auch das Team als Gesamtes. Der gemeinsame Blick auf das Getane hilft auch dabei, die Motivation aufrechtzuerhalten.

Team-Challenges:

Lachen ist die beste Medizin und der beste Motivator. Beim gemeinsamen Lachen werden Endorphine – sogenannte „Glückshormone“ – und Oxytocin ausgeschüttet. Das Kuschelhormon Oxytocin ist gleichzeitig ein Neurotransmitter, der den Cortisolspiegel reguliert und so den Abbau des Stresshormons Cortisol fördert. Das führt zu einem entspannteren Miteinander. Eine Studie der Universität Zürich zeigt, dass so auch das Vertrauen in die Mitmenschen gesteigert wird, weil Oxytocin uns empfänglicher für zwischenmenschliche Signale macht. Forscher der Universität Amsterdam haben auch herausgefunden, dass der Zusammenhalt in der Gruppe gestärkt, die Abgrenzung nach außen hin aber ebenso gefördert wird. Daher ist es neben den zahlreichen Online-Meetings auch hilfreich, Zeit für lustige und verbindende Team-Challenges zu schaffen. Die digitale Vernetzungsplattform Talee hat einiges mit ihren Teams ausprobiert und entwickelt: von der selbst konzipierten Radio-Morningshow mit Livestream für die Kollegen, Chat-Interaktionen, Live-Umfragen und kleinen Challenges wie der Kaffeetassenparade („Zeigt her eure Kaffeetassen“) bis hin zu einem virtuellen Rollenspielabend. Die Teams treffen sich auch zum virtuellen Brettspiel in der Pause (über Browsergames wie stadtlandfluss.online.net) oder machen eine Lesestunde. Ein virtuelles Weintasting after work wäre auch eine gute Idee. Bei Xing gab es Fitness-Workouts von Kollegen. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt – und auch das gemeinsame Konzipieren solcher Challenges macht Spaß.

New Work, Soft Skills