Nicole Thurn ● 8.2.2019
Virtuelle Konferenzen: Science Fiction im Meetingraum
Bald können wir unsere digitalen Avatare ins Besprechungszimmer teleportieren. Bis dahin gibt es einiges an der virtuellen Meetingkultur im Team zu verbessern. Wir sprechen über Trends und geben Tipps für die Praxis.
Maryann aus San Francisco erzählt freudig vom letzten Marketing-Event. Leider sieht Jens aus Hamburg dabei nicht sie, sondern nur sich selbst auf dem Bildschirm. Lucille aus Rennes versucht verzweifelt, sich einzuwählen und Peter aus London hört gar nicht zu, weil er nebenbei mit dem Customer Chief Officer telefoniert.
Kommt Ihnen das bekannt vor? Virtuelle Meetings sind ein Ort des globalen Zusammentreffens, der kollaborativen Projektarbeit in fremden Sprachen, ein Schnittpunkt des internationalen Wissens über Märkte und Kundenströme – und bisweilen auch ein Ort der Fokuslosigkeit und Frustration. Diese Erfahrungen nehmen wohl zu, denn die Zahl der virtuellen Teams steigt – nicht nur – in den deutschen Unternehmen kontinuierlich. Die Erschließung neuer Märkte, die digitale Entgrenzung, die zunehmende Zahl der Freelancer und Remote Worker tragen dazu bei.
Eine Studie der Deutschen Wirtschaft aus dem Jahr 2018 zeigt: bis zu acht Milliarden Euro pro Jahr könnten deutsche Unternehmen einsparen, würden sie mehr auf Videokonferenzen denn auf Dienstreisen setzen. Denn immerhin um 16 Prozent sind die Kosten für Dienstreisen im Vergleich zu vor zehn Jahren in den deutschen Unternehmen gestiegen. Ein Fünftel der Unternehmen hat demnach noch nie ein virtuelles Meeting abgehalten.
Zukunftsmarkt: VR und Holoportation
Das klingt etwas innovationsverschlossen angesichts dieses aufstrebenden Zukunftsmarkts. Denn virtuelle Meetings beschränken sich längst nicht mehr auf Telefonkonferenzen und auch nicht auf Videokonferenzen. Es gibt zunehmend mehr Anbieter von VR-Konferenzen wie etwa vSpatial: Per Virtual Reality Brille hat man in 3D Screens vor sich, die jeden eingewählten Teilnehmer zeigen. Der Anbieter MeetinVR lässt die Teilnehmer per Zeichentrick-Avatar in einen glamourösen Meetingraum teleportieren. Mit der Microsoft Hololens wird derzeit an holografischen Meetings gearbeitet, das Menschen per „Holoportation“ in dreidimensionaler Echtgröße ins reale Zimmer beamt. Manche Unternehmen gehen noch weiter: Das US-amerikanische Startup Oben baut derzeit persönliche virtuelle Avatare als digitales 3D-Ebenbild, die man anstelle von sich selbst in virtuelle Meetings schickt. Sie beantworten Fragen selbstständig und argumentieren so, wie sie es von einem gelernt haben. Das Unternehmen Soulmachines arbeitet an „Digital Humans“, also humanoiden virtuellen Assistenten, die über ein digitales Nervenzentrum dazulernen und im Unternehmen mitarbeiten. Wir werden in Zukunft also in Meetings von unseren A.I.-Versionen vertreten oder mit Digital Humans diskutieren.
Knackpunkt: Kommunikation
Das klingt für Sie noch zu sehr nach Science Fiction? Das macht nichts. Die Vorteile für virtuelle Meetings liegen für die Unternehmen schon jetzt auf der Hand: man spart Kosten, aber auch Zeit für Projekte, wenn die Arbeit gut zwischen den Mitarbeitenden verschiedener Zeitzonen aufgeteilt ist. Und vom Wissensaustausch über Kunden, Märkte und Kulturen profitieren alle Beteiligten.
Die Nachteile aber sind ebenso evident. In virtuellen Meetings ist man stark vom technischen Gelingen der Infrastruktur abhängig. Der informelle Schnack vor der Kaffeemaschine fällt flach, der Teamzusammenhalt ist kaum vorhanden. Missverständnisse kommen rascher auf: nicht nur wegen unterschiedlicher kultureller Prägungen, sondern auch wegen mangelnder nonverbaler Kommunikation. Und schwelende Konflikte bleiben eher unausgesprochen als gegenüber Kollegen, denen man ständig im Büro begegnet.
Doch das muss nicht so sein. Damit das virtuelle Meeting heute und auch in Zukunft nicht zum Frusterlebnis wird, können die Teilnehmer und Projektleiter einiges tun:
Tipps und Tricks für Projektleiter:
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Technische Ärgernisse minimieren: Nichts ist schlimmer, als ein eingefrorener Skype-Bildschirm, eine tonlose Kollegin oder ein gesichtsloser Kollege im Videochat. Daher: Stellen Sie sicher, dass Sie und Ihre Kollegen alle Tools, Updates, Plugins, stabiles Wlan und was immer Sie für den reibungslosen Ablauf einer virtuellen Konferenz benötigen, haben. Und: Sorgen Sie für einen Plan B für alle Teilnehmer – etwa neben Skype for Business auch für Google Handouts als Alternative.
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Verbindlichkeit schaffen: Der Mensch ist ein Sozialwesen, der über unbewusste Antennen sein Gegenüber abscannt: über Augenkontakt, Geruch, nonverbale Kommunikation sammeln wir blitzschnell Informationen über den Anderen. Findet er oder sie unseren Vorschlag gut? Gibt es latenten Widerstand? Geht er oder sie in Kampfhaltung? 80 Prozent der Kommunikation funktioniert über die Beziehungsebene, die wiederum zum Großteil nonverbal stattfindet. Im Büro gibt es den informellen Beziehungsscan vor der Kaffeemaschine oder dem Wasserspender, im virtuellen Meeting sind wir allerdings beschränkt: Augenkontakt ist nicht möglich, auch Mimik und Gestik sind kaum oder gar nicht sichtbar. Sorgen Sie jedenfalls für möglichst viel Sichtbarkeit: alle Teilnehmer sollten ihre Webcams benützen. Stellen Sie einen „virtual watercooler“ oder eine „virtual coffee machine“ zur Verfügung: also Chatrooms und Chat-Tools, die den informellen Austausch zwischen den Teilnehmern schon vor dem Meeting zu ermöglichen. Wichtig: Lassen Sie das Team zumindest ein Mal im Jahr im echten Leben zusammenkommen. Die fehlende nonverbale Kommunikation kann übrigens auch ein gestikulierender Avatar in Zukunft wohl nicht ersetzen.
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Aufmerksamkeit ermöglichen: Bitten Sie alle Teilnehmer zu Beginn des Meetings oder am besten noch davor, sich voll und ganz dem Meeting zu widmen. Also: für eine ruhige Umgebung sorgen, keine Mails abrufen, keine Anrufe nebenbei absolvieren, sich selbst nicht auf lautlos stellen. Sorgen Sie für Präsenz und gehen Sie mit gutem Beispiel voran.
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Die Teilnehmer aktivieren: Je mehr die Teilnehmer sich ins Meeting eingebunden fühlen, desto eher bleiben sie mit ihrer Aufmerksamkeit dabei und bringen sich auch entsprechend ein. Für Brainstormings eignen sich virtuelle Whiteboards etwa über Skype for Business, WebWhiteboard.com für Google Hangouts oder das Tool Collaboard für Microsoft Teams. Auch eingebettete Chats, vorbereitete Fragen, Umfragen und virtuelle Abstimmungen sorgen für mehr Teilhabe am Meeting. Wichtig ist auch die parallele Dokumentation und Nachbereitung der besprochenen Themen und Entscheidungen. Hier helfen auch Collaboration Tools wie Sharepoint oder Trello dabei, Informationen zu teilen.
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Digitale Moderation: Um all die oben genannten Maßnahmen auch umsetzen zu können, ist ein digitaler Moderator ratsam, der auf die Struktur der Agenda, die Einbeziehung der Teilnehmer, ausgewogene Redezeiten und die Dokumentation des Gesagten achtet. Er oder sie sorgt für Ausgeglichenheit, Fokus und Effektivität. Das gilt für traditionelle Videokonferenzen ebenso wie für VR-Meetings.