Anne M. Schueller ● 6.3.2019

In drei Schritten zur Selbstorganisation

Die Selbstorganisation als Arbeitskonzept ist in aller Munde. Im Kern ändert sich dabei die Machtverteilung. Statt Entscheidungen „nach oben“ zu verlagern, werden diese autonom dort gefällt, wo sie anfallen. Wie Teams in drei Schritten selbstorganisierter arbeiten.

Hierzu definieren die Mitarbeiter ihre Ziele sowie die dazu notwendigen Mittel und Wege gemeinsam und übernehmen Verantwortung für die erbrachten Ergebnisse. Man erlebt Selbstwirksamkeit und erlangt Bedeutung. Sehr schnell kommt es zu einer fachlichen, menschlichen und motivatorischen Stärkung des Einzelnen. Wie von Fesseln befreit wird eine enorme Energie freigesetzt. Weitere willkommene Nebeneffekte: Das Verständnis für Gesamtzusammenhänge im Unternehmen wächst, das unternehmerische Denken wird angeregt, der Wissenshorizont und die Expertise werden erweitert.

Schritt für Schritt zur Selbstorganisation

Kann Selbstorganisation in einem Ruck eingeführt werden? In wenigen Einzelfällen ist das vielleicht möglich. Doch normalerweise, das sagen alle, die Transformationsprozesse hinter sich haben, sollte das Pendel nicht zu überhastet oder zu hart in Richtung Selbstorganisation schwingen. Denn man muss üben, um zu brillieren. So gibt es drei verschiedene Level, um sich der Selbstorganisation anzunähern. Dabei ist vor allem die Historie der Unternehmensstruktur und -kultur von Belang. Für die sich zunehmend selbst organisierenden Teammitglieder ist eine coachende Begleitung unabdingbar, um sowohl die methodischen als auch die gruppendynamischen Tücken zu meistern. Zudem hängt der Grad der Selbstorganisation von den anstehenden Aufgaben ab, sie passt nicht zu jedem Zweck. Wird Selbstorganisation im großen Stil eingeführt, braucht es das Go von ganz Oben.

Level 1: Die sich dezentralisierende Organisation

In der sich dezentralisierenden Organisation finden wir die ersten Schritte in Richtung Selbstorganisation. Die zentrale Steuerung wird zurückgefahren. Hierarchien werden verflacht. In Zwischenetappen, im Rahmen von Pilotprojekten oder in Teilbereichen des Unternehmens wird eine zunehmende Selbstorganisation eingeleitet. Das Arbeitsumfeld ist lebendig und offen, die Zusammenarbeit konstruktiv. Immer weniger direktive Anweisungen werden ausgesprochen, immer mehr Entscheidungen verbleiben im Team. Das Berichtswesen wird minimiert. Die kollektive Intelligenz wird systematisch genutzt. Verfahrensoptimierungskonzepte werden von den Mitarbeitern selbst erstellt. Bei all dem sind Erprobungsphasen überaus wichtig, damit sich sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter in die neue, noch ungewohnte Situation einüben können, und es nicht ständig zu Rückfällen kommt. Eine fehlertolerante Lernkultur begleitet den Weg. Etappensiege werden gefeiert.

Level 2: Die unterstützte Selbstorganisation

Die unterstützte Selbstorganisation ist ein sehr gangbarer Weg für einen Großteil der klassischen Unternehmen. Operative Entscheidungen und die Verantwortung dafür verbleiben komplett im Team. Dies erfordert von jedem Mitarbeiter Selbstführung, eine offene Lernhaltung und die Bereitschaft zu konstruktiver Auseinandersetzung. Alle an einer Aufgabe Beteiligten organisieren sich gemeinsam – im Rahmen der gemeinsam bestimmten Regeln und Ziele, an die man sich konsequent hält.

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Kontrolle findet nicht über den Vorgesetzten, sondern durch die Teammitglieder und auch über die Kunden statt. Die Führung achtet vor allem darauf, dass nichts Operatives zu ihr zurückdelegiert wird. Nur noch in Ausnahmefällen und in strategischen Kontexten greift sie direktiv ein. Ansonsten ist sie vor allem möglichmachend tätig. Es gilt, die Selbstverwaltung im Team zu stärken und Hindernisse auf dem Weg zu optimalen Arbeitsergebnissen fortzuräumen („Was braucht ihr?“). So sorgt die Führung für perfekte Rahmenbedingungen und umfassende Entwicklungsmöglichkeiten. Das Tagesgeschäft erledigen die Teams autonom.

Level 3: Die komplett selbstgesteuerte Organisation

Holacracy und andere Soziokratie-Modelle fallen in diesen Bereich. Komplett selbstgesteuerte Organisation finden wir vor allem in kleineren Unternehmen der IT- und Internetszene. Für tradierte Unternehmen sind sie womöglich nur in Ausnahmefällen geeignet. Gegebenenfalls kann man in Ausgründungen damit experimentieren.

Via Level 1 und 2 zu mehr Selbstorganisation

Klassische Organisationen bewegen sich zunächst zügig hin zu Level eins: die sich dezentralisierende Organisation. Wer dort angekommen ist, begibt sich in Richtung Ziellevel zwei: die unterstützte Selbstorganisation. So wird das Pendel nie komplett herumgerissen, man beginnt vielmehr mit Quick Wins, Maßnahmen also, die zu schnellen Erfolgen führen.

Ein Beispiel aus der Praxis: Beim Otto Versand haben früher die Vorgesetzten die Schichten der Callcenter-Mitarbeiter eingeteilt. „Das machen die Kollegen und Kolleginnen mittlerweile komplett selbstständig Und was das spannende ist: Sowohl die Krankheits- als auch die Fluktuationsquote ist erheblich gesunken“, erzählt Andreas Birken, Vorstandschef der Otto Group, in der Wirtschaftswoche vom 21.12.2018.

Wird zunächst in Teilbereichen eines Unternehmens mit zunehmender Selbstorganisation experimentiert, kann es bei der übrigen Belegschaft zu Missgunst oder Verständnismangel kommen. Dies lässt sich verhindern, wenn eine gute Vernetzung in die klassische Organisation besteht, wenn transparent, freundlich und reichlich kommuniziert wird, wenn Neugier geweckt und Erfolg sichtbar gemacht wird. Dabei helfen auch Einladungen, sich das Ganze anzusehen oder temporär mitzuarbeiten.

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