Nicole Thurn ● 11.10.2019
Schau dir in die Augen, Kleines! Selbstreflexion bei Führungskräften
Selbstreflexion ist das wichtigste Tool, um sich als Führungskraft für neue Herausforderungen zu wappnen.
Ich möchte Sie heute mal direkt ansprechen. Ja, genau, Sie. Sie sind möglicherweise gerade in eine Führungsposition gekommen, oder haben schon einige Jahre in leitender Funktion hinter sich. Ziemlich sicher sind Sie gerade mit dem unvermeidlichen T-Wort beschäftigt. Vielleicht versuchen Sie, die Veränderung, die möglicherweise Ihre Rolle durcheinanderwirbelt oder sogar obsolet macht, noch irgendwie zu verhindern. Vielleicht sind Sie aber auch ganz vorne dabei und engagieren sich für den großen Wandel in Ihrem Unternehmen. Weniger Hierarchie, weniger Bürokratie, mehr operative Tätigkeit, das ist vielleicht auch ganz in Ihrem Sinne. Vielleicht haben Sie diesen Wandel sogar angestoßen, da der Druck auf den Märkten groß ist oder das Geschäftsmodell in absehbarer Zeit am Ende ist.
Ich wette drauf, dass Sie auf jeden Fall in irgendeiner Form gerade mit Ihrer Rolle beschäftigt sind. Und klar hinterfragen Sie auch: was muss ich ändern? Was kommt als nächstes? Wie soll ich meinen Führungsstil adaptieren und meine Rolle mit neuen Aufgaben füllen?
Was Sie vermutlich wenig überraschen wird: die Antworten müssen Sie sich erst mal für sich selbst geben. Hier hilft Ihnen bestimmt Selbstreflexion. Indem Sie sich selbst die richtigen Fragen stellen, kommen Sie auf ganz neue Antworten. Ziemlich sicher ist Ihnen das auch bewusst. Ziemlich sicher haben Sie dafür aber auch gefühlt viel zu wenig Zeit. Eine Forschungsstudie der TUM School of Management in München mit dem Titel „The Reflective Leader: Leadership from Developmental Job Challenges”, hat ergeben: Führungskräfte könnten dann die Inhalte von Trainings in ihrem Arbeitsalltag gut umsetzen, wenn sie über Erfolge, Verbesserungsmöglichkeiten reflektierten und selbst Feedback zu ihrer Performance einholen. Allerdings ergab die Untersuchung auch: die wenigsten nehmen sich während des Tagesgeschäfts genügend Zeit für Reflexion. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2014 an der Hochschule zeigt: wenn Führungskräfte sich am Ende des Arbeitstages nur 15 Minuten Zeit für Selbstreflexion nehmen, können sie ihre Leistung um 25 Prozent steigern. Dazu gehört: Wie sehen Sie Ihre Rolle als Führungskraft? Was tragen Sie zu Konflikten, zu Unverständnis, zu Widerstand im Team bei? Wie sehen Sie Ihre Mitarbeiter? Als Erfüllungsgehilfen, als Untergebene oder als Mitgestalter?
Selbstreflexion hilft also, Zusammenhänge zu erkennen, eigene Verhaltensmuster sichtbar zu machen und damit auch zu verändern. Und ja, sie kostet Zeit, aber ansonsten ist sie völlig kostenlos. Ihr Wert ist aber um so vieles größer: Reflexionsphasen helfen Ihnen und Ihrem Team, gut durch eine stürmische, verunsichernde Zeit zu kommen. Sie geben Sicherheit. Natürlich soll Selbstreflexion nicht nur Führungskräften vorbehalten sein – jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin kann davon profitieren. Auch in der Gruppe macht es Sinn, regelmäßig über die gemeinsame Arbeitsweise zu reflektieren. Also, nehmen Sie sich zumindest 15 Minuten täglich Zeit für sich und reflektieren Sie das Geschehene.
Selbstreflexion: Stellen Sie andere Fragen
Nun ist es nicht immer einfach, erkenntnisreich zu reflektieren. Manchmal stellen wir uns einfach die falschen Fragen oder wir lassen die ganz unbequemen einfach aus. Einer, der das Mindset von Unternehmen wie Führungskräften immer wieder mit richtig guten Fragen aufrüttelt, ist Simon Sinek. Den mit dem Buch „Start with why“ berühmt gewordenen US-Bestsellerautor und Keynote Speaker kennen Sie ja bestimmt, dennoch möchte ich seine neueren Thesen etwas näher beleuchten. Simon Sinek sagt in seinem neuesten Buch „The Infinite Game“, die meisten von uns handeln im Business wie im Privatleben so, als ob sie in einem Spiel mitspielen, das bestimmten Regeln entspricht und irgendwann mit einem Gewinner oder einen Verlierer endet.
In Wahrheit endet das Spiel nie – und die Regeln sind veränderbar.
Es gibt niemals einen endgültigen Gewinner oder Verlierer und es gibt niemals endgültige Regeln. Dennoch haben viele von uns den Antrieb, noch höher und weiter zu gehen, noch mehr zu gewinnen, diese und jene Kennzahlen zu erreichen und die Nummer Eins zu werden. Das ist zwar menschlich, diese allzu lineare Fokussierung beschränkt allerdings das Denken. Sie führt zu weniger Vertrauen, weniger Kooperation und weniger Innovation, sagt Sinek.
Echte Leader, so der Autor, erkennen, dass sie sich in einem unendlichen Spiel befinden, in dem sie mal Verlierer, mal Gewinner sind. Sie erkennen, dass es kein endgültiges Ziel gibt, sondern nur das Bewusstsein, dass man mal oben und mal unten ist, mal erfolgreich und mal nicht. Abseits der linearen Zielerreichung gehen sie die komplexen Herausforderungen der Zeit im Wandel mutig an, angetrieben von einer ganzheitlichen Vision, einem tieferen Sinn, der größer ist als sie selbst und der sie dazu bringt, die Komfortzone zu verlassen. Solche Führungskräfte haben vertrauensvolle Teams, die sich ebenso mutig engagieren, Neues ausprobieren und über Fehler offen reden, weil sie auch dann auf die Unterstützung durch ihre Führungskräfte zählen können. Diese „infinite-minded“-Führungskräfte erkennen auch, dass Mitbewerber mehr sind als Konkurrenten, die es zu bekämpfen gilt: sie spiegeln ihnen die eigenen blinden Flecken und Schwächen wieder. Von diesen „worthy rivals“, also würdigen Rivalen, können sie daher am meisten lernen.
Und: solche Leader hätten auch eine Art „existenzielle Flexibilität“, meint Sinek: wenn sie erkennen, dass die große Vision gefährdet ist, dann scheuen sie sich nicht, die eigenen Geschäftsfelder völlig zu verändern oder teilweise sogar zu zerstören. Für das größere Ganze verzichten sie auch auf den schnellen Gewinn.
Ähnlich sieht es auch Brené Brown: Sie hat viele Führungskräfte aus den erfolgreichsten Konzernen und NGOs weltweit interviewt. In ihrem Buch „Dare to lead“ schreibt sie darüber, dass es echten Leadern nicht darum geht, Macht über andere zu haben, sondern, etwas zum Besseren zu verändern. Dabei reiche es nicht, Antworten auf Fragen zu finden, sondern man müsse die richtigen Fragen stellen. Diese Haltung ist fundamental anders als jene des traditionellen Managements. Sie sagt auch, Mut sei erlernbar. Wenn wir nicht reflektiert sind, suchen wir die Schuld bei anderen und bleiben eher in unserer Komfortzone. Wir sollten kühne Entscheidungen treffen, uns in echte, harte Auseinandersetzungen begeben und uns mit unserer ganzen Persönlichkeit ins Business einbringen. Dadurch werden wir zu authentischen, menschlicheren Führungskräften mit Ecken und Kanten, die mehr Energie zur Verfügung haben.
Workbooklet Reflexionsfragen
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Das sind meine Hauptaufgaben als Führungskraft im Unternehmen:
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Diese drei Aufgaben sehe ich künftig als relevant für meine Position:
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Dieses Interesse, diese Stärke würde ich in meinem Job gern mehr ausleben:
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Das würde ich gern in meinem Bereich ändern…
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Ich habe den Führungsjob angestrebt, angenommen weil: …
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Meine größte Herausforderung derzeit: …
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Das treibt mich am stärksten an:
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Der Sinn meiner Arbeit ist es, …
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Eine Situation in der vergangenen Woche, die mich verärgert hat. Ich habe mich dadurch … gefühlt.
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Mein Beitrag für mein Team/ mein Unternehmen ist es…
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Was kann mein persönlicher Konkurrent/ der Konkurrent meines Unternehmens besser als ich/ als das Unternehmen? Wie könnte ich beitragen, das zu lernen?
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Ein Konflikt der vergangenen Woche: wann, mit wem, worum ging es? Wie ging es aus?
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Das habe ich dazu beigetragen, damit Person X sich in diesem Konflikt so verhält:
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Drei Dinge, die ich von meinen Mitarbeitern verlange, aber selbst nicht einhalte: …
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Drei Dinge, die meine Mitarbeiter an mir schätzen: …
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Drei Dinge, die sie nicht an mir schätzen: …
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Ein Satz, den ich innerlich zu mir sage, wenn mir etwas nicht gelingt:
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Von wem stammt dieser Satz und aus welcher Situation?
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Fünf Werte, die mir wichtig sind:
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Zu wieviel Prozent lebe ich diese Werte in meinem Job, zu wieviel in meinem Privatleben?
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Ein bis zwei Personen, die ich künftig um konstruktives Feedback bitten werde: