Britta Bonten ● 15.8.2019

Welche Führungs-Kräfte braucht die VUKA-Welt?

Die VUCA-Welt erfordert ein Umdenken im Unternehmen. Die Erwartungen und Anforderungen an die Führungsebene verändern sich. Weniger Chef sein, mehr Coach. Verantwortung abgeben können, den Teamspirit und die individuelle Weiterbildung jedes Mitarbeiters fördern - welche Skills braucht eine moderne Führungskraft?

„Wenn du Menschen führen willst, gehe hinter ihnen her.“ Laotse, ca. 6. Jh. v. Chr.

Obwohl es wissenschaftliche Zweifel gibt, dass der chinesische Philosoph Laotse tatsächlich gelebt hat, drücken diese Worte das aus, worauf es bei der „Führungsqualität“ auch 2600 Jahre später ankommt. Egal wer die Worte letztlich gewählt hat, der- oder diejenige hat schlichtweg verstanden, wie die menschliche Natur unabhängig von Zeit(-geist) und Organisationsform geführt werden will und kann. Wir zeigen Ihnen, welche Führungs-Kräfte in der heutigen VUKA-Welt gefragt sind.

Unvorhersehbares wagen und Neues ausprobieren

Ein Blick in die Vergangenheit führt uns zum österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter, der schon vor mehr als 80 Jahren die sich anbahnende Führungskrise erkannte. Ihm zufolge mündeten Planbarkeit und stabiles Fortsetzen unternehmerischer Aktivitäten einzig und allein in Stillstand. Als Gewohnheitstier suhlt sich der Mensch gerne in routinierten Abläufen und Mustern. Alles Unbekannte ist wider seine Natur. Neues beäugt er mit größter Skepsis. Schlimmstenfalls ignoriert er es. Mit dem ambivalenten Begriff „schöpferische Zerstörung“ verwies Schumpeter hingegen auf das Neue, Unvorhersehbare in einer Volkswirtschaft, das zu einer dynamischen, radikalen und innovativen Entwicklung und letztlich zu Wohlstand führt.

Selbsttest zum Thema Dynamik und Veränderungsbereitschaft

  • Warum möchte ich lebenslang (Neues) lernen?

  • Begebe ich mich gerne auch fachlich in unbekannte Situationen?

  • Wie gut gehe ich mit ergebnisoffenen Situationen um?

  • Wie motiviere und unterstütze ich mein Team, sich ebenso mutig auf Neues einzulassen?

  • Was kann ich dazu beitragen, dass Vernetzung zu mehr Wissenstransfer führt?

  • Entscheide ich alleine, oder binde ich mein Team mit ein?

 

2019-06-17 14_28_09-7 Gründe, warum die Digitalisierung unsere Gesellschaft verbessertLesen Sie auch: Weiterbildung neu denken - Warum wir Lernen lernen müssen

Auf klassische Hierarchien verzichten

Doch nur weil hierarchische und autoritäre Führungsmuster über Jahrhunderte sogar teilweise bis heute noch bestehen, bedeutet nicht, dass sie in unserer VUKA-Zeit noch ebenso greifen. Erst wirtschaftlicher Leidensdruck ermuntert deutsche Unternehmen, sich Gedanken zu machen über die Konsequenzen einer digitalisierten Arbeitswelt hinsichtlich Fehlerkultur, Employer Branding, New Work und vielem mehr. Und nicht zuletzt hinsichtlich Führung. Denn die manifestierte Formel „oben wird gedacht, unten wird gemacht“ prallt insbesondere an den nachrückenden Millennials und Digital Natives ab. Viele gut ausgebildete Arbeitskräfte wünschen sich ein höheres Maß an Selbstbestimmtheit bei dem, was sie gerne tun wollen. Sie fokussieren eine fachliche Tätigkeit mit mehr Lebensqualität. Den höchsten Gipfel der Macht zu erklimmen und aus Prestigegründen Chef zu werden – das ist nicht ihr erklärtes Ziel. Der deutsche Ökonom und Philosoph Birger Priddat sieht in dieser Autonomie der Hochqualifizierten sogar das Anzeichen eines fortgeschrittenen Entwicklungsstatus der Wissensgesellschaft. Hier löst sich das Streben nach Chefposten von selber auf, da die Arbeitsautonomie so ausgeprägt ist, dass klassische Führungsaufgaben einen anderen Stellenwert einnehmen als früher einmal.

Selbsttest zum Thema Selbstkritik

  • Hole ich aktiv Feedback von meinem Team ein? Ja: Wie? Nein: Was hindert mich?

  • Wie war die Reaktion der anderen, als ich zuletzt einen Fehler zugegeben habe?

  • Wann habe ich zuletzt offen einen Fehler zugegeben? 

Leader statt Manager

Genau darum geht es aus Sicht von Hans Hinterhuber, emeritierter Professor für Unternehmensführung in Innsbruck: „Echtes Leadership setzt immer die Fähigkeit zur Kritik – und im gleichen Maße Selbstkritik – voraus. Man muss konstruktiv hinterfragen – und nicht nach Bestätigung suchen.“ Er plädierte für den Führungsbegriff Leadership im Sinne von: „Leadership will aus Menschen mehr machen, als die sich selbst zutrauen. Leadership hilft voran. Dazu braucht man Menschen, die sich und andere mögen.“ Dies unterstreicht auch der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Warren Bennis, der Zeit seines Lebens betonte, dass ein Manager Systeme und Strukturen verwaltet, ein Anführer oder Leader hingegen erneuert und gestaltet. Mit seinen Worten: „Der Manager macht die Dinge richtig – der Anführer macht die richtigen Dinge.“

Selbsttest zum Thema Philanthropie - zwischenmenschliches Denken und Verhalten
 
  • Zuletzt habe ich anderen gezeigt, dass ich sie als Mensch wertschätze, indem ich...?

  • Kenne ich von jedem Teammitglied die wichtigsten drei Stärken?

  • Wann habe ich wen zuletzt für was gelobt?

  • Wie helfe ich konkret meinen Teammitgliedern, das Beste aus sich heraus zu holen?

  • In welcher Situation habe ich zuletzt jemanden anders behandelt, als ich es mir selbst gewünscht hätte? 

Fazit:

„Hinter den eigenen Mitarbeitern her zu gehen“ – Laotses Weisheit ist ein hehres Ziel. Es heißt nicht, vorauszugehen, die Marschrichtung anzugeben. Auch nicht „hinterherzulaufen“ im Sinne des Duden „sich in unangemessener Abhängigkeit von seinen Zwecken, Zielen eifrig bemühen, jemanden, etwas für sich zu gewinnen“! Und schon gar nicht im Sinne „verfolgen“ oder mit Micro-Controlling-Habitus alle einzelnen Schritte des Mitarbeiters minutiös zu überwachen. Was Laotse meint, ist die eigentliche Führungs-Kraft: Anderen dabei zu helfen, sich selber zu führen, eigenverantwortlich zu handeln und täglich dazu zu lernen.

Leadership, VUCA, Learning and Development