Lars-Peter Linke ● 28.11.2018

User Stories texten und von Hollywood lernen: Kurz und knackig

User Stories haben sich im agilen Projektmanagement, insbesondere im Scrum-Umfeld, als wertvolles Instrument bewährt. Kurze, knappe Sätze zeichnen ein klares Bild der Ansprüche, Erwartungen und Wünsche des Endkunden. So geben sie wichtige Orientierung für die Ausrichtung, Planung und Bewertung eines Projekts. Wie aber schreibt man User-Stories, ohne ins Schwafeln zu geraten?

Wie kommt man vom weißen Blatt schnell auf den Punkt? Hilfe und Anregungen können sich Projektmanager und Project Owner (nicht nur im Scrum-Umfeld) aus Hollywood holen. Die Drehbuchschreiber und Filmproduzenten kämpfen täglich darum, gute und verwertbare Filmideen in knappe Worte zu fassen.

Zuerst angewendet wurden User Stories im Extreme Programming Ende der neunziger Jahre. Mit ihnen formulieren Programmierer die Anforderung an eine Software und legen im nächsten Schritt fest, wann und mit welcher Ausstattung eine neue Software vom Kunden als Lösung für sein Problem akzeptiert würde. Weil User Stories alle Beteiligten schnell, unmissverständlich und klar auf den Nutzen, die Anforderungen und die erwartbaren Erfolge eines Projektergebnisses hinweisen, werden sie schon längst nicht mehr nur in der Softwareproduktion eingesetzt. Immer wenn es darum geht, den Nutzen eines alten oder neuen Produkts oder einer Dienstleistung zu beschreiben, bietet die Anwendergeschichte eine ideale Startvorlage: für Produktentwicklung, Qualitätsverbesserung oder Innovationsmanagement.

Die Kunst liegt in der Kürze

Die formalen Vorgaben für eine User Story sind denkbar knapp: Sie muss auf eine Karteikarte passen. Idealerweise besteht sie aus einem Satz, der sowohl die Rolle als auch das Ziel und den Wunsch des Kunden beschreibt: „Als Mutter möchte ich Gewissheit haben, dass sich meine Kinder gut ernähren“. Das klingt einfacher als es ist. Inhaltlich kommt es darauf an, möglichst nah an den Wünschen und Träumen der Kunden zu sein. Viele User Stories sind in Wahrheit keine Stories, die im Kopf der Kunden hätten entstehen können. Sie sind eher Ausdruck einer Hoffnung, was sich der Kunde denn bitte schön wünschen soll. Sprachlich muss die Story so konkret wie möglich sein und so klingen, wie Menschen sprechen: kein Jargon, keine Schachtelsätze, keine abstrakten Formulierungen. Man kann darauf wetten, dass abstrakte Begriffe wie „Entwicklung“, „Potenziale“ oder „Usability“ selten in Alltagsgesprächen vorkommen. Dann haben sie auch in User Stories nichts zu suchen. Ein Kunde sollte, wenn er denn gefragt würde, der User Story nicht nur zustimmen können. Er müsste auch sagen können: „Das sind genau meine Worte!“. Diese sprachliche Kundennähe ist deshalb so wichtig, weil das zu entwickelnde Produkt genau in die Welt und in die Wirklichkeit des Kunden passen soll. Wenn die User-Story nicht ganz nah dran ist, läuft ein gesamtes Projekt Gefahr, sich Schritt für Schritt von der Alltagswelt zu entfernen.

Tipps zur agilen Herangehensweise an Projektarbeiten erhalten Sie hier:

In Hollywood bestimmen drei Sätze über Investitionen in Millionenhöhe

Nur weil die User Story kurz, einfach und klar ist, heißt das nicht, dass sie schnell und problemlos formuliert werden kann. Gute Ideen und gute Formulierungen brauchen ihre Zeit. Dafür sind sie ihr Geld wert. Das weiß niemand besser als Filmproduzenten in Hollywood. Sie sichten täglich bis zu Hunderten von Drehbüchern, um aus der riesigen Menge das eine Filmprojekt auszuwählen, das der nächste Blockbuster werden kann oder muss. Sie haben überhaupt keine Zeit, die dicken Drehbücher auch nur durchzublättern. Auch ein einseitiges Exposé (in der Filmsprache: Treatment) kostet zu viel Lesezeit. Also verlangen sie von den Drehbuchautoren, dass sie die Kernidee in drei Sätzen – den sogenannten Log Lines – zusammenfassen. Log Lines beantworten immer drei Fragen: Wer ist der Held? Was ist sein Ziel? Was steht ihm entgegen? Gute dreizeilige Antworten auf diese Fragen sind der Anfang von Karrieren und Filmprojekten, die in die Geschichte eingehen. Und das, obwohl sie nicht mal das Ende verraten und auch sonst keinerlei Details und Nebenarme der Geschichte preisgeben. Diese lassen sich nämlich nach Geschmack des Regisseurs und Budget des Produzenten beliebig verändern. Die Kernidee aber ist einzigartig. Und sie lässt sich in drei Zeilen ausdrücken. Drei Zeilen können erzählen, dass ein kleiner Junger ein außerirdisches Wesen findet und ihm helfen will, zu seinen Heimatplaneten zurückzukehren. Eine Filmidee, die Millionen von Zuschauer in die Kinos trieb. Auch die wohl kargsten Log Lines der Filmgeschichte waren der Startschuss für ein überaus erfolgreiches Kinoabenteuer. „A man with no name and a man with a mission hunt a Mexican bandit for different reasons.” So schlicht und banal klingen die Log Lines des Filmklassikers “Für eine Handvoll Dollar“ von Sergio Leone.

Knappe Worte sparen viel Zeit und Geld

Seit Jahren setzt die Filmindustrie auf Log Lines. Projektmanager und Produktentwickler können viel von ihr lernen: Die Kunst des User-Story-Schreibens liegt im Weglassen. Je mehr man sich auf das nackte Bedürfnis eines Kunden konzentriert, desto näher ist man der Lösung seines Problems. Deshalb lohnt es sich, zu Beginn eines jeden Projekts volle Konzentration auf die User Stories zu richten. Nicht nur auf die Sammlung und Auswahl möglichst vieler Stories, sondern auch auf den Stil und die Reduktion der einzelnen Sätze. Wer hier mit möglichst wenig Worten viel ausdrücken kann, eröffnet sich alle Chancen, im weiteren Projektverlauf viel Zeit und Geld zu sparen.

Gute User Stories…

… sind einfach und ohne weitere Erläuterungen verständlich.

… nennen Rolle, Dilemma und Lösungswunsch des Kunden.

… stehen für sich allein, auch wenn sie in größerem Zusammenhang und in Kontakt zu anderen User Stories stehen können.

… nutzen nur Worte und Begriffe, die ein Kunde im mündlichen Gespräch auch nutzen würde.

… sind im Präsens formuliert.

Agiles Mindset, Scrum