Nicole Thurn ● 19.3.2020

Führungskraft allein zu Haus: Tipps fürs Home Office

Wer kann, arbeitet jetzt von Zuhause aus. Tipps für Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter vom Home Office aus führen.

Das Coronavirus schränkt uns ein, es verunsichert und es wirkt sich drastisch auf unsere Wirtschaft aus. Aber: Es beschleunigt auch die Entfaltung einer „neuen Arbeitswelt“: Immer mehr Unternehmen ordnen für ihre Office-Mitarbeiter Home Office an – auch jene, die noch wenig Erfahrung damit haben.

Doch Organisation und Struktur aus dem Büro ins Privatleben zu verfrachten, ist nicht ganz einfach. Die meisten von uns sind gewöhnt, in vorgegebenen Strukturen zu funktionieren. Die wenigsten von uns haben gelernt, sich selbst im Alleingang zu organisieren, effizient ohne Mails zu kommunizieren und als Führungskraft virtuelle Teams zu führen. Auch jene, die all das im Unternehmen bereits getan haben: es ist etwas anderes, allein zu Haus. Für die Arbeit zuhause, die digitale Zusammenarbeit und Meetings gibt es einiges zu beachten.

Selbstorganisation

Selbstorganisation ist gefragt, ebenso wie der Umgang mit stressigen Situationen, mit Lärm, schlechter Beleuchtung und provisorischem Arbeitsplatz. Auch wenn die Situation an Ihren Nerven zehren sollte: Sehen Sie Ihren Arbeitstag auch weiterhin als solchen – wenn auch unter erschwerten Bedingungen. Nicht alles wird sich so einfach und konsequent umsetzen lassen, setzen Sie sich also bitte durch die Tipps nicht noch zusätzlich unter Stress. Sie sollen als Checkliste dienen.

Arbeitsplatz: Ergonomisch, praktisch, gut

Wer ein eigenes Büro hat, benötigt wohl keine Tipps. Da Sie vermutlich die nächsten Wochen im Home Office verbringen, ist es wichtig, den Arbeitsplatz möglichst bequem einzurichten. Notfalls lässt sich ein Bereich im Schlafzimmer umfunktionieren. Den Rücken entlastet ein guter, alter Sitzball oder ein guter Drehstuhl. Achten Sie auf einen geraden Rücken und eine Sitzposition mit einem 90Grad -Winkel der Beine. Ist kein einigermaßen ergonomischer Arbeitsplatz möglich, machen Sie in den Pausen ein paar Schritte, drehen Sie eine kurze Runde im Freien oder machen Sie kleine Dehn- und Yogaübungen.

Technisch gesehen sollte Ihre Firma für ein VPN (Virtual Private Network) sorgen. So können sensible Daten verschlüsselt intern getauscht werden. Anbieter sind beispielsweise NordVPN (zeichnet Datenverkehr nicht auf) und ProtonVPN (mit kostenloser Version).

Home Office gekonnt managen

Arbeitsphasen und Pausen – ein klarer Fall

Sorgen Sie für einen klar strukturierten Arbeitstag. Der Vorteil an Home Office ist natürlich, wenn es Ihr Job erlaubt: gönnen Sie sich freie Zeit mit Ihren Kindern und verschieben Sie fokusintensive und nicht dringende Tätigkeiten auf den Abend. Aber nicht zu häufig. Beginnen Sie die Arbeit wie sonst auch –  nicht im Pyjama, das bringt Sie in produktivere Stimmung. Machen Sie Pausen und beenden Sie den Arbeitstag mit einem Ritual – etwa den Laptop verschwinden lassen, digital Detox ohne Mailscheck und in bequemere Kleidung schlüpfen. Die Pausen untertags sollten tatsächlich Pausen sein und nicht im Bodenschrubben enden – außer Sie kommen dadurch auf kreative Ideen. Allgemein raten Experten zu zehn Minuten Pause in einer Stunde. Spätestens nach 90 Minuten sollten sie eine größere Pause machen – Ihr Hirn ist durch mit der Konzentration. Sehr hilfreich ist die Pomodoro-Technik von Francesco Cirillo: Verschriftlichen Sie eine Aufgabe, dann Timer stellen und 25 Minuten fokussiert ohne Ablenkung ausschließlich an dieser Aufgabe arbeiten, danach fünf Minuten Pause. Dann kommt die nächste Aufgabe dran. Nach Vier Pomodori-Einheiten am besten eine größere Pause einschieben.

Kleine Coworker – das hilft

Wenn Sie schulpflichtige Kinder haben, synchronisieren Sie am besten Home Working und Home Schooling Ihrer kleinen Coworker. Vereinbaren Sie mit Ihrem Kind gemeinsame Arbeits- bzw. Lern- und Pausenzeiten. Verschieben Sie die Lernhilfen und Kommunikation mit Ihrem Kind auf fixe Zeiten verschieben. Zum Beispiel könnte Ihr Kind Fragen sammeln und nach der Lernzeit mit Ihnen besprechen. Mit Kleinkindern gestaltet sich das Ganze schon schwieriger: hier hilft es, sich mit dem Partner, wenn vorhanden, abzusprechen und mit der Betreuung abzuwechseln bzw. Tätigkeiten bei Bedarf auf den Abend zu verschieben, der hoffentlich ein ruhiger wird. Notfalls helfen die Großeltern zum kurzweiligen Entertainment über Videochat aus. Ansonsten: versuchen Sie spontan zu bleiben und kommunizieren Sie Ihrem Team, dass es zwischendurch Betreuungsphasen geben wird. Da Ihre Mitarbeiter vermutlich auch Kinder haben, besprechen Sie vorab die besten Zeitfenster für Abstimmungen und Meetings.

„To Do“ und „Done“ für mehr Klarheit

So wie Sie es bestimmt auch im Büro tun: Legen Sie Ihre To-Dos fest. Und zwar noch deutlicher als sonst.  Die kostenlose App Todoist hilft, die To Dos für den Arbeitstag und die Arbeitswoche festzulegen. Allerdings: Die To Dos auf einem Postit vor Augen und in Händen zu haben, macht sie sogar greifbarer. Psychologisch wichtig und gut für Ihr Belohnungszentrum im Gehirn: legen Sie nach Arbeitende eine „Done“-Liste an, das macht Ihre Leistung sichtbar und nimmt den Druck weg. Denn: oft erledigen wir Dinge zwischendrin, die gar nicht auf unserer „To-Do-Liste“ standen und ärgern uns über unsere Ineffizienz – dabei haben wir einiges erledigt.

Und tschüß, Zeitfresser

Leider finden wir uns im Home Office rasch inmitten von Zeitfressern wieder: aufpoppende e-Mails, quengelnde Kinder, die Spülmaschine, der nichtausgeführte Hund, die schmutzige Wäsche. Bleiben Sie hart. Vereinbaren Sie mit sich selbst und Ihrer Familie fixe Arbeitszeiten und fixe Phasen der Freizeit. Den Haushalt versorgen Sie am besten zu der Zeit und in dem Maße, wie Sie es auch nach dem Büro-Arbeitstag tun würden. Stellen Sie reinfliegende oder aufpoppende Nachrichten und Mails aus. Zwei Mal pro Tag die Mails zu checken, reicht. Auch in Slack oder anderen Collaboration Tools sollten Sie Benachrichtigungen deaktivieren: Ihr Gehirn benötigt nach einer sekündlichen Ablenkung nämlich 20 Minuten, um sich wieder konzentrieren zu können.

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Collaboration Tools im Vergleich

Fokus, bitte

Mit den möglicherweise erschwerten Umständen zuhause fällt die Konzentration häufig schwer, auch wenn Sie obige Tipps beherzigen. Ihr Gehirn benötigt für die Konzentrationsfähigkeit Energie. Stress hemmt den Fokus leider. Daher besorgen Sie Brainfood und Obst und trinken Sie ausreichend und lüften Sie den Raum regelmäßig.

Das Team führen

Kommunikation: Status „Mittagessen“

Sie werden von Mitarbeiterin A mit Mails bombardiert, B ruft ständig an und C lässt kaum von sich hören? Vereinbaren Sie mit Ihrem Team klare Kommunikationsregeln und einigen Sie sich auf einen primären Kommunikationskanal – bei engen Abstimmungen und gemeinsamen Projekten idealerweise ein Team Collaboration Tool wie beispielsweise Slack. Kommunizieren Sie Aufgaben klar und fragen Sie stets bei Unklarheiten nach – schriftlich ist die Kommunikation mitunter missverständlicher als im persönlichen Kontakt. Wenn Sie Pausen machen, können Sie in den meisten Collaboration Apps Ihren Status einstellen, wie etwa „Mittagspause“, damit Ihr Team Bescheid weiß. Diese Regeln besprechen Sie am besten auch vorab mit Ihren Mitarbeitern. Telefonate können Sie in dringenden Fällen vereinbaren. Für Team-Meetings eignen sich Videochats am besten: dazu hat Microsoft mit MS Teams ein kostenloses Update zur Verfügung gestellt, auch Google bietet mit G Suite kostenlose Premiumnutzung an. Ansonsten sind Google Hangouts oder Zoom zu empfehlen. Wichtig: alle einigen sich auf ein Meeting-Tool. Melden Sie sich morgens mit einem „Guten Morgen“ bei Ihrem Team und melden Sie sich auch zu Arbeitsende wieder offiziell ab.

Virtuell effizient

Stellen Sie sicher, dass alle Mitarbeiter Zugang zu den gemeinsamen Online-Tools haben. Strukturieren Sie die Online-Meetings mindestens so klar wie jene offline: jeder darf aussprechen, soll sich aber auf das Wesentliche konzentrieren. Und: zu Beginn und am Ende darf ruhig auch Persönliches besprochen werden. Die Menschen freuen sich über soziale Kontakte und persönlichen Austausch zur Lage.

Google bietet Hangouts Meet bis 1. Juli 2020 zur kostenlosen Nutzung für bestehende G Suite Kunden. Mit Hangouts Meet können kostenlos Meetings für bis zu 250 Personen abgehalten werden, Meetings aufgenommen und in Google Drive gespeichert werden. Die Premium Version von Microsofts MS Teams  ist für die kommenden sechs Monate kostenlos verfügbar. Damit ist das Aufnehmen von Meetings und das Erstellen gemeinsamer Dokumente möglich, plus ein Terabyte Speicherplatz.  Mit Microsoft Whiteboard können die Teams ein gemeinsames Whiteboard erarbeiten.

Delegieren, aber richtig

Bei Ihren eigenen Aufgaben und auch dem Delegieren von Aufgaben gilt: im Home Office ist es wegen der Ablenkungsgefahr noch wichtiger, die Prioritäten richtig zu setzen. Achten Sie darauf, dass auf die richtigen Aufgaben fokussiert wird. Was ist „dringend und wichtig“, was nur „dringend“ (für andere) und was „wichtig“, hat aber noch Zeit. Besprechen Sie die Prios mit ihrem Team und besprechen Sie auch die jeweiligen Kapazitäten möglichst klar. Wer hat Ressourcen, wer wegen Kleinkindern besonders erschwerte Bedingungen? Setzen Sie Abgabefristen nicht zu eng. Versuchen Sie etwas Druck rauszunehmen. Häufig machen wir den Fehler, uns und anderen zu viele Aufgaben aufzuhalsen.  

Vertrauen ist besser

Seien Sie als Sparringpartner für Ihre Mitarbeiter da. Viele hadern mit der jetzigen Situation. Sehen Sie die Lage auch als Möglichkeit, mit Ihren Mitarbeitern trotz der Distanz auf eine persönlichere Ebene zu kommen. So mancher ist möglicherweise selbst von dem Coronavirus indirekt betroffen. Die Menschen haben Sorgen und Ängste. Ihre Aufgabe als Führungskraft ist es auch, Krisenmanagement zu betreiben – und für ein bisschen mehr Sicherheit und Beruhigung zu sorgen. Und: Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern. Bleiben Sie ergebnisorientiert und kontrollieren Sie nicht jeden Arbeitsschritt.

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