So schlimm und herausfordernd die Corona-Krise für viele Menschen und Unternehmen ist: Die kollektive Home-Office-Erfahrung beschleunigt die digitale Revolution. Welche Learnings Sie danach mit ins Büro nehmen sollten, erfahren Sie hier.
Die aktuelle Situation ist für uns alle eine Herausforderung. Wir lernen, mit Ängsten und Ungewissheiten umzugehen. Wir alle erlernen aber auch neue Kompetenzen: etwa den Umgang mit digitalen und virtuellen Kommunikationsmitteln mühelos zu beherrschen, vor denen wir vorher zurückgeschreckt sind. Das gesamte Land wird digitalisiert. Bald werden die ersten Unternehmen ihre Arbeit in Büros sowie Produktions- und Handelsstätten wieder aufnehmen. In den Büros wird sich der Digitalisierungsschub bemerkbar machen – auch bei Führungskräften. Was werden Sie und Ihre Mitarbeiter spätestens nach der freiwilligen Quarantäne gelernt haben?
Für alle im Büro galt vor wenigen Wochen: Wir siedeln um und zwar nach Hause. MS Teams, Skype und Zoom beherrschen Sie und Ihre Mitarbeiter inzwischen aus dem Effeff. Der Lerneffekt für die Mitarbeiter ist:
1. Hey, so schwierig/schlimm/kompliziert ist das ja gar nicht.
2. Hey, ich bin fähig, rasch etwas Neues dazuzulernen, wenn ich es nur versuche.
Die Mitarbeiter helfen sich dabei gegenseitig, geben einander Tipps. Nichts treibt Lernende so an wie die Erfahrung der eigenen Selbstwirksamkeit, wie Studien zeigen. Das wiederum fördert das Selbstvertrauen, mit neuen Situationen umgehen zu können. Laut dem Psychologen Albert Bandura führen vier Wege zu mehr Selbstwirksamkeit:
Erstens, eigene Erfolgserlebnisse: Man meistert schwierige Situationen und fühlt sich dadurch gestärkt. Das erhöht das Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit bei der nächsten Herausforderung.
Zweitens, stellvertretende Erfolgserlebnisse: jemand, der mir ähnlich ist – ein Kollege, die Führungskraft – meistert die Situation. Das beflügelt mich, es auch zu können.
Drittens, soziale Unterstützung: ich bekomme Zuspruch von vertrauenswürdigen Menschen aus meinem Umfeld.
Viertens: Emotionale und physiologische Aspekte: Angst drückt sich häufig körperlich aus, etwa über Herzklopfen oder Schweißausbrüche und innere Unruhe. Sich gezielt zu entspannen, hilft mehr Gelassenheit im Umgang mit der neuen Situation zu erlangen.
Hat man erst einmal die Hemmschwelle überwunden, beginnt die Beschäftigung mit digitalen Tools auch Spaß zu machen. Ihre Mitarbeiter haben Feuer gefangen. Vielleicht nicht alle. Aber die Lust zu experimentieren ist gewachsen. Sie mussten Neues ausprobieren, haben dazugelernt. Sie entdecken, welche Gadgets die Tools besitzen und wollen nun ihre neuen Skills erweitern. Einige hatten vielleicht auch Ideen zu digitalen Angeboten und Produkten.
Zurück im Office ist die Zeit, diese Experimentierfreude weiter zu vertiefen: Konzepte für digitales Lernen zu entwerfen und jene für digitale Angebote und Produkte zu konkretisieren.
Elend lange Diskussionen sind über Zoom oder Skype deutlich anstrengender als im realen Meetingraum (und auch dort rollt so mancher heimlich die Augen). Daher werden die Betroffenen bemerkt haben: Der Fokus auf das Wesentliche ist hier absolut nötig. Man ist förmlich dazu gezwungen, dem anderen zuzuhören, ihn nicht zu unterbrechen und klar zu kommunizieren – außer man schaltet Video und Mikrofon aus (was mitunter unhöflich wirken kann). Es ist anfangs nicht einfach, klar zu kommunizieren. Wo sieht man hin, auf den Kasten im Bildschirm, auf die Person, die spricht oder direkt in die Webcam? Was bedeutet: ein Moderator muss her, der jedem das Wort erteilt und Agenda und Zeit im Auge behält. Auf diese Weise lässt sich auch in physische Meetings mehr Struktur bringen.
Wenn Sie die Situation mit Ihrem Team gut bewältigt haben, liegt das vermutlich auch daran, dass Sie gemeinsam über die neuen Arbeitsweisen und ihre Herausforderungen gesprochen haben. Regelmäßige Retrospektiven in Meetings einzubauen, ist klärend und macht evident, was läuft und was nicht. High- und Lowlights der vergangenen Woche zu benennen, etwa: was hat besser funktioniert als erwartet, was nicht? Wie gehen wir mit Demotivation und Ablenkung um? Wann arbeitet jeder am besten, wann sollte Fokuszeit im Team angebracht sein? Diese regelmäßigen Reflexionen zu persönlichen Herausforderungen, Arbeitsweisen und -prozessen helfen bei der künftigen Verbesserung. Wenn die Mitarbeiter es gewohnt sind, darüber zu sprechen, werden sie es auch im Büro weiterhin tun wollen. Auch dort warten Prozesse und Abläufe, die für Frust und Demotivation sorgen und dringend besprochen werden sollten.
Jetzt ist die richtige Zeit, auch beim digitalen Lernen im engeren Sinne anzusetzen. Webinare, Videos, Podcasts gibt es zuhauf. Die Mitarbeiter konnten idealerweise die ruhigere Phase für die Weiterbildung nutzen – beginnend etwa mit Podcasts, TED-Talks und Webinaren zu Home-Office-Themen, Selbstorganisation und Zeitmanagement. Das lässt sich auch mit anderen Themen im Büro weiterführen. Wichtig: Es sollte keine Zwangsbeglückung sein, sondern eine Möglichkeit, seinen Horizont zu erweitern.
Geteiltes Leid ist halbes Leid – das haben Sie sicher in den Meetings bemerkt, wenn es mal nicht nur ums Fachliche ging, sondern auch um persönliche Lebensumstände. Auf persönliche Themen einzugehen, stärkt den sozialen Zusammenhalt im Team. Diese besondere Erfahrung hat Sie und Ihr Team vermutlich zusammengeschweißt. Darauf können Sie nach der Home-Office-Phase aufbauen.
Spätestens jetzt ist klar: Mitarbeiter im Home Office sind nicht faul, demotiviert und unstrukturiert. Sie haben gelernt, sich selbst zu organisieren. Sie wissen um die Herausforderungen und den eigenen Umgang damit. Home Office ist sicher keine Dauerlösung, sollte aber auch nicht nur eine Option für einige Wenige im Unternehmen sein, wie es doch häufig der Fall ist. Home Office sollte eine bedarfsgerechte Möglichkeit für alle Büromenschen sein, die so gezielt ihre Aufgaben erledigen können – für mehr Fokus, für mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder auch für die Möglichkeit, sich digital weiterzubilden. Natürlich immer in Absprache mit den Kollegen und der Führungskraft.
Wo früher regelmäßige Dienstreisen auf dem Plan vieler Führungskräfte standen, muss man sich nun weiterhin mit virtuellen Meetings begnügen – die Beschränkung der Reisefreiheit wird die kommenden Monate nämlich noch bestehen bleiben. Virtuelle Meetings mit den Kollegen in der Zentrale werden zur neuen Normalität. Das spart Geld, schont die Umwelt und führt zu mehr Effizienz – auch wenn der soziale Rahmen rund um die Meetings fehlt.
Nach dieser Zeit des virtuellen Zusammentreffens bemerken wir, was wir so dringend benötigt haben: die zwischenmenschliche Nähe. Der direkte Blickkontakt, Körpersprache und Mimik des anderen lesen zu können. Darüber sammelt unser Gehirn unzählige feingetunte Informationen, die Stimmungen und Zwischentöne mitliefern. Im virtuellen Treffen ist das nur sehr bedingt möglich – das erkennen wir am unbestimmten Gefühl, dass „irgendetwas fehlt“. Nutzen Sie das Bedürfnis nach sozialer Interaktion, indem Sie für Ihr Team ein kleines Get-Together organisieren – ohne großartige fachliche Agenda, sondern einfach als Dankeschön, gemeinsam durchgehalten zu haben (und natürlich mit entsprechenden Schutzmaßnahmen).