Macher, Koordinator oder Perfektionist? Der Trend geht hin zu Rollen im Team, die nicht nach fachlichen, sondern sozialen Kompetenzen besetzt werden. Wir erklären Belbins Modell der Teamentwicklung.
Wir spielen immer eine Rolle, ob wir wollen oder nicht. Privat ist es die Rolle der Mutter oder des Vaters, beruflich die Rolle der Ausführenden oder des Entscheiders. In agilen Arbeitsweisen arbeiten die Menschen nicht mehr in starren Positionen, sondern übernehmen verschiedene Rollen – je nach Aufgaben und Projekten. Im Scrum-Modell etwa gibt es den „Product Owner“ oder den „Scrum Master“. Auch in Holacracy-Organisationen übernehmen die Mitarbeiter verschiedene aufgabenbezogene Rollen.
Eher selten reflektieren wir darüber, in welcher sozialen Rolle wir gerade mit anderen interagieren – und dass wir uns bei Meinungsverschiedenheiten mitunter gar nicht im Konflikt mit dem anderen Menschen befinden, sondern in einem Rollenkonflikt.
Gerade in Teams wirken sich die sozialen Rollen samt den damit verbundenen Intentionen und Erwartungen stark auf die Zusammenarbeit aus. Häufig sind es blinde Flecken, die unbewusst ausagiert werden. Dabei kann es für Teamleiter und Führungskräfte sehr erkenntnisreich sein, mit den Mitarbeitern gemeinsam die jeweiligen sozialen Rollen zu durchleuchten. Der britische Managementforscher Raymond Meredith Belbin hat bereits in den 1970er Jahren die Wichtigkeit sozialer Rollen in Teams erkannt und eine Methode zur Teamsteuerung entwickelt. In empirischen Untersuchungen konnte er neun maßgebliche Teamrollen identifizieren: unter anderen den Entscheider, den Bewerter, den Koordinator und den Umsetzer. Belbins Modell hat sich bis heute bewährt. Anhand dessen können Führungskräfte entdecken, welche Rollen über- und welche unterrepräsentiert sind und die Besetzung ihrer Teams dahingehend adaptieren. Das heißt natürlich nicht, dass man Mitarbeiter immer austauschen muss, manchmal hilft auch schon die Reflexion, um einen Rollentausch untereinander anzuregen. Spannend ist nämlich: wir übernehmen eine soziale Rolle nicht immer gemäß der eigenen Persönlichkeit, sondern auch abhängig vom Kontext und im Ausgleich zu anderen Rollen. Und: manchmal werden wir in eine Rolle gedrängt, die uns so gar nicht liegt. Das führt mitunter zu Frust, Überanstrengung und Demotivation.
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Laut Belbin weist jede soziale Rolle spezifische Stärken auf – die bei Überfokussierung oder Pervertierung auch zu Schwächen oder Störfaktoren für das Team werden können. Daher ist es für Führungskräfte wichtig, die Rolle nicht mit der Person zu verwechseln. Denn die Rollen können sich verändern, wenn neue Kollegen hinzukommen oder alte gehen. Wichtig bei der bewussten Rollenbesetzung ist, dass auch die Führungskraft ihre eigene Rolle identifiziert und ihre Stärken bestmöglich ins Team einbringt – und vor allem den Stärken ihrer Teammitglieder Raum gibt.
Belbins neun Rollen sollten ausgewogen im Team vorkommen: was das genau bedeutet, variiert je nach Zweck und Ziel des Teams. Überspitzt gesagt: wenn drei von fünf Teammitgliedern sich als ausgeprägte Machertypen ständig gegenseitig übertrumpfen, wird das zu Konflikten und Machtkämpfen führen. Ein Team mit lauter Visionären wird nicht ins Tun kommen, eines mit lauter Bewertern sich in Analysen verlieren und ein Team aus Perfektionisten wird sich in Details verzetteln. Je bewusster das Team mit den Rollenbesetzungen umgeht, desto effektiver kann die Aufteilung von Rollen und Aufgaben vorgenommen werden. Spannungen und Konflikte sollten nicht nur als lästig, sondern als Symptome für fehlerhafte Rollenbesetzungen gesehen werden. Also lieber nicht voreilig einzelne Teammitglieder zu Sündenböcken machen – vielleicht können sie in ihrer Rolle einfach nur ihre Stärken nicht ausspielen. In einer reifen Gruppe werden die Teammitglieder übrigens freiwillig andere Rollen einnehmen, wenn zu viele bereits besetzt sind. Je bewusster und reflektierter man dieses Thema angeht, desto erfolgreicher wird das Team mit seinen Rollen umgehen.