Im Rahmen des proaktiven Recruitings gewinnt das Talent Relationship Management immer mehr an Bedeutung. Wie sich der Prozess vom Suchen, Finden, Überzeugen und Binden der Bewerber strukturiert und welche Vorteile er für das Active Sourcing mit sich bringt, erfahren Sie hier.
Was nutzt ein brillant formulierter Text, um heißbegehrte KandidatInnen per Active Sourcing persönlich und individuell auf einem der Business-Netzwerke anzusprechen, wenn ich gar nicht weiß, ob es zuvor bereits Kontakte zu der betreffenden Person gab? Und nebenbei: Will die Person überhaupt angesprochen werden? In Zeiten der DSGVO nicht ganz unwichtig. Schaffen wir also zunächst einmal die Basis für erfolgreiches Active Sourcing: ein gutes Talent Relationship Management (TRM).
Lesetipp: Recruiting 4.0: Talente aktiv suchen, gewinnen und binden
Das Ziel von TRM ist, Beziehungen zu möglichen BeweberInnen aufzubauen und so zu pflegen, dass diese bei diesen Unternehmen arbeiten wollen und sich schließlich bewerben. Neben der Überzeugung, Post & Pray durch eine aktive und talentorientierte Personalsuche ersetzen zu müssen, kommt es auf zwei „praktische“ Dinge an: Zum einen benötige ich eine Datenbank, die idealerweise mit dem Bewerbermanagementsystem verbunden ist; zum anderen bedarf es mindestens einer Person (oder mehr, je nach Unternehmensgröße bzw. Recruitingbedarf), die sich dieser Methode der Personalgewinnung widmet: nicht „so nebenbei“, sondern intensiv, vor allem kontinuierlich, fachlich kompetent und persönlich engagiert. Kontinuität und Langfristigkeit sind Eigenschaften, die schon im bekannten Customer Relationship Management (CRM) zum Erfolg führen; warum also nicht auch bei KandidatInnen? Wir umschreiben dies heute mit „Candidate Experience“.
*Skizze aus den Lerninhalten von Frau Ulrike Ripper, Recruiting-Coach und Consultent
Manche Management Portale behaupten, TRM beginne beim Recruiting. Das kann man so sehen. Aber, tagein tagaus erinnern Arbeitsüberbelastung, leere Bürostühle erkrankter KollegInnen sowie Stellenanzeigen auf allen möglichen on- und offline-Kanälen an die Wachstumsbremse Personalmangel. Alle Personalsuchenden schwimmen im großen Teich „Arbeitsmarkt“. Ein Irrglaube ist es jedoch, „Recruiting“ als DEN Rettungsring anzusehen der alleine helfe, wieder sicher an Land zu schwimmen und stabilen Boden unter den Füßen zu haben. Dramatisch wird die Situation obendrein durch die Vielzahl an "Schwimmenden", die sich ebenso hilfesuchend an diesen Rettungsring klammern; das kann nur für ein paar Wenige gut ausgehen.
Viel wichtiger ist daher – noch bevor man in See sticht, also Leute sucht – sich mit der Rettungsweste Talent Relationship Management zu wappnen. Damit Sie relativ entspannt das feste Ufer erreichen, sollte diese Rettungsweste mit den richtigen Handgriffen angezogen und bedient werden. Schöner Nebeneffekt: Sie fallen positiv auf und geben auch noch ein attraktives Bild ab (Employer Branding)!
TRM beginnt lange vor dem Recruiting. Diese Methode beginnt überall dort, wo Kontakte zwischen MitarbeiterInnen und potenziellen BewerberInnen entstehen: in der analogen Welt auf Tagungen, Messen & Konferenzen, in Schulen & Universitäten und im direkten Kundenkontakt, am Telefon. MitarbeiterInnen werden zu BotschafterInnen des Betriebs (Stichwort Employee Branding). Online erreicht man die Generationen Y und Z vorzugsweise in Social Media, während sich (internationale) Professionals (junior wie senior) eher auf Business Plattformen wie Xing und LinkedIn präsentieren. Beziehungsarbeit zu leisten und so Vertrauen aufzubauen ist zunächst unabhängig vom gewählten Kanal. Unternehmen müssen neue Mittel und Wege finden, um glaubwürdig wahrgenommen zu werden. Wichtig ist ebenso, dass Firmen ihren Zielgruppen unterhaltende, nützliche und informierende Inhalte anbieten (Content) und sie bereit sind, in einen interaktiven Austausch zu treten, der mit Recruiting erst einmal nichts zu tun hat.
TRM ist ein ständiger Prozess und geht weit über das sporadische Kontakthalten zu ehemaligen Werkstudenten oder Praktikanten hinaus! TRM endet nie – es sei denn, das Unternehmen braucht (zukünftig) kein Personal oder wird insolvent. Es ist trotz des Namens nicht ausschließlich auf „Talente“ oder „high potentials“ zu begrenzen, sondern schließt Auszubildende, Schüler, Studenten, WiedereinsteigerInnen, erfahrene ExpertInnen u. v. m. ein.
Am Anfang des Prozesses sprechen wir von langfristigen Zielen, später ist das Ziel, kurzfristig geeignete Talente rekrutieren zu können.
Intelligent gemacht und sowohl nach stellenorientierten Kriterien (Standort der Position, Bereich/Abteilung, Qualifikationsanforderungen usw.) als auch nach talentorientierten Kriterien (gewünschter Einstiegsbereich, Kompetenzen oder Level an Berufserfahrung usw.) segmentiert, wird die TRM-Datenbank zu einem vielfältig nutzbaren Talentpool. Er bildet erst die Grundlage zielgerichteter Maßnahmen für Active Sourcing, Personalmarketing oder potenzielle Auszubildende.
Jedes Unternehmen, das auf lange Sicht immer wieder neue Kräfte benötigt und in einem harten Wettkampf mit anderen Arbeitgebern steht (wer ist das nicht?), sollte das wirksame Instrument des TRM nutzen. Es bildet die entscheidende Grundlage im Mix mit anderen Methoden der Personalgewinnung wie Active Sourcing für eine erfolgreiche Stellenbesetzung und steigert zeitgleich auch noch die Attraktivität als Arbeitgeber. Neues Personal begeistern und dabei auch noch als Arbeitgeber gut aussehen – wer will das nicht?