Dominic Lindner ● 9.9.2019

In vier Schritten zum Talentpool

 Als Datenbank ist der Talentpool ein derzeit beliebtes Instrument für Unternehmen, mittel- und langfristig potenzielle Talente für sich zu begeistern und an das Unternehmen zu binden.  Er spielt im Recruiting-Prozess und in der Personalentwicklung eine wichtige Rolle.

Der Fachkräftemangel ist ein derzeit heiß diskutiertes Thema und hat die Notwendigkeit zum Aufbau eines Talentpools erheblich verstärkt. Während vor knapp 15 Jahren noch eine Arbeitslosenquote von fast 12 % herrschte (Stand 2005), hat sich diese mittlerweile (Stand 2018) um mehr als die Hälfte zu ca. 5 % reduziert (bpb). In der Vergangenheit war es für Unternehmen vergleichsweise leicht, freie Stellen zeitnah und mit qualifiziertem Personal zu besetzen. Aktuell hat sich dieser Trend allerdings umgekehrt. So suchen Arbeitgeber derzeit deutlich länger nach geeigneten Talenten und viele Stellen bleiben dabei sogar langfristig unbesetzt. Während die Nachfrage nach Fachkräften also steigt, sinkt das Angebot täglich, wodurch sich Unternehmen zunehmend unter Zugzwang befinden, die eigenen Recruiting-Maßnahmen erheblich zu optimieren.

Geeignete Kandidaten sind nicht, wie vor mehr als einem Jahrzehnt noch, bereit, umständliche und langfristige Bewerbungsprozesse auf sich zu nehmen. Viele Talente befinden sich sogar nicht mal mehr in einer aktiven Suche, sondern agieren stattdessen passiv aus einer festen Anstellung heraus. Um diesen neuen Ansprüchen von potentiellen Kandidaten Folge zu leisten, haben sich daher bereits viele Unternehmen für den Aufbau eines Talentpools im Rahmen des eigenen Recruiting Managements entschieden. Doch wie baut man eine solchen Datenbank mit qualifizierten Kandidaten effektiv auf und was muss bei der Implementierung beachtet werden?

Aufbau eines Talentpools

Während Personalberatungen schon lange die Notwendigkeit sowie den Nutzen von Talentpools predigen, hält dieses Verständnis erst nach und nach Einzug in die Recruiting-Abteilungen von Unternehmen. Der Aufbau einer Datenbank mit zukünftigen potentiellen Kandidaten hat also erheblich an Bedeutung gewonnen -  so stark, dass nach einer aktuellen Studie der Universität Bamberg fast jeder zweite Arbeitgeber aktiv Gebrauch von einem Talentpool macht. Im Mittelstand verfügt sogar bereits ein Viertel aller Unternehmen über eine eigene Datenbank. Und auch über 40 Prozent der Top-1.000-Unternehmen haben nicht nur einen Talentpool als Recruiting Maßnahme in ihr Bewerbungsverfahren aufgenommen, sondern verzeichnen auch echte Erfolge.

Nach Angaben der Studie können dabei mehr als 1/6 aller freien Vakanzen dieser Organisationen durch Kandidaten aus der unternehmensinternen Datenbank besetzt werden. Beim Mittelstand sind es sogar fast 1/5 aller offenen Stellen.

Doch auch der Nutzen eines Talentpools ergibt sich nur durch eine professionelle und strukturierte Vorgehensweise bei der Erarbeitung der Datenbank. Dabei spielen beim Aufbau und der Segmentierung viele Faktoren eine wichtige Rolle, um den langfristigen Erfolg der internen Besetzung freier Stellen zu gewährleisten. Deshalb sollen im Rahmen einer erfolgreichen Implementierung im Folgenden nun 2 zentrale Fragen geklärt werden:

  • In 4 Schritten zum Talentpool: Was gibt es bei der Implementierung zu beachten?

und

  • Wie muss ein Talentpool auf lange Sicht gepflegt werden?

In 4 Schritten zum Talentpool: Was gibt es bei der Implementierung zu beachten?

Der systematische Aufbau eines effizienten Talentpools erstreckt sich von der Definition der Talente über das Befüllen der Datenbank bis hin zur Verwaltung und dem regelmäßigen Austausch. Darüber hinaus bildet auch die weitere Pflege des Talentpools einen äußerst wichtigen Aspekt für den Erfolg einer solchen internen Datenbank. Auf diese soll, aufgrund ihres hohen Bedeutungsgrades, aber im Verlauf des Artikels gesondert eingegangen werden.

Schritt 1: Talente definieren

Zunächst einmal sollten Unternehmen die Charakteristika des gewünschten Talentpools genau definieren. Das bedeutet, es sollte im ersten Schritt festgelegt werden, welche Anforderungen und Kompetenzen potentielle Kandidaten aufweisen müssen, um überhaupt in die Talentdatenbank aufgenommen zu werden. Dieser Schritt ist deshalb von großer Bedeutung, da nur so schlussendlich auch für das Unternehmen geeignete und in ausreichendem Maß qualifizierte Kandidaten für offene Stellen herausgefiltert werden können. Denn ein prall gefüllter Talentpool mag zwar auf den ersten Blick vielversprechend wirken, kann aber auch schnell unübersichtlich werden oder sogar das eigentliche Potential verfehlen. Wenn ein Unternehmen noch nie in Kontakt mit einem aufgenommenen Kandidaten gestanden hat, muss in der Regel, wie auch bei regulären Ausschreibungen, der gesamte Bewerbungsprozess durchlaufen werden. Um jedoch den Mehrwert einer solchen Datenbank, wie die Kosten- und Zeitreduktion vollends ausschöpfen zu können, bilden viele Personalabteilungen sogenannte Einstiegbarrieren, die beispielsweise vorgeben, dass ein Kandidat nicht nur bestimmte Kompetenzen und Voraussetzungen erfüllen muss, sondern bereits in irgendeiner Weise mit dem Unternehmen in Kontakt gewesen sein muss. Eine solche vorherige Kontaktaufnahme kann dabei zum Beispiel einem bereits in der Vergangenheit geführten Telefon-Interview, einem Bewerbungsgespräch oder einer kurzzeitigen Anstellung entsprechen.

Schritt 2: Talente in den Talentpool aufnehmen

Im zweiten Schritt geht es darum, eben jene Talente zu finden, die den Anforderungen des Talentpools entsprechen und diese in die interne Datenbank aufzunehmen. Dabei können Unternehmen sowohl aktiv als auch passiv vorgehen. Letzteres wird von Personalabteilungen besonders häufig genutzt. Denn eine passive Talentaufnahme wird in der Regel durch das Rekrutieren von Kandidaten aus bereits vorhandenen Bewerbungsverfahren ermöglicht. Dies bedeutet, dass beispielsweise Second-Best-Kandidaten, ehemalige Mitarbeiter, Praktikanten, Auszubildende oder Werkstudenten, einfach in die interne Datenbank übertragen werden.

Besonders zu Beginn, also während des Aufbaus eines Talentpools, ist die Ausbeute hierbei allerdings meist nur sehr gering, weshalb sich viele Unternehmen an dieser Stelle zusätzlich auch für eine aktive Vorgehensweise entscheiden. Ziel dahinter ist es, potentielle Kandidaten für den eigenen Talentpool mittels Active-Sourcing gezielt anzusprechen und von der Aufnahme zu überzeugen. Qualifizierte Talente können dabei über verschiedene Wege ermittelt werden:

  • Talentkampagnen

  • Soziale Medien

  • Empfehlungen durch eigene Mitarbeiter oder Partnerunternehmen

  • Karriere- und Fachmessen

  • Hochschulmarketing sowie

  • Workshops und Assessmentcenter

Aber ganz gleich, ob die Personalabteilung bei der Befüllung des Talentpools aktiv, passiv oder kombiniert vorgeht, so sollte immer beachtet werden, dass alle Aktivitäten stets nur unter dem Einverständnis der Talente erfolgen dürfen, da sonst erhebliche Datenschutzprobleme mit ernsthaften Strafen für das Unternehmen drohen können.

Schritt 3: Talentpool segmentieren

Nach der Gewinnung von Kandidaten zum Aufbau des Talentpools ist es im nächsten Schritt wichtig, diesen auch fachgerecht zu verwalten. Schließlich sind nicht alle Informationen über Talente für das Unternehmen von gleicher Bedeutung. Um mehr Struktur und Übersichtlichkeit in die eigene Datenbank zu bringen, ist es daher sinnvoll, den Talentpool zu segmentieren. Eine solche Segmentierung bedeutet, dass die Kandidaten verschiedenen Gruppen zugeordnet werden, die auf Basis individueller Anforderungen und Bedürfnisse des Unternehmens errichtet wurden. Denn trotz Software-gestützter Automatik kann es in einem großen Talentpool schnell unübersichtlich werden, wodurch qualifizierte Kandidaten für offene Stellen nur umständlich herausgefiltert werden können.

Aufgrund dessen orientieren sich die meisten Unternehmen bei der Segmentierung entweder am Konzept der Talent- oder dem der Stellenorientierung. Während letzteres sich hauptsächlich nach den Anforderungen der offenen Vakanz selbst ausrichtet, wird bei einer Orientierung mit Fokus auf das Talent nach den Präferenzen des jeweiligen Kandidaten vorgegangen. Demnach ergeben sich zu beiden Ansätzen meist folgende Kriterien:

  • Stellenorientierung mit Fokus auf das Profil der Vakanz
    z.B. Unternehmensstandort, Abteilungsart, Berufserfahrung, Qualifikationen, sonstige Anforderungen etc.

  • Talentorientierung mit Fokus auf das Profil des Kandidaten 
    z.B. bevorzugte Position, Einstiegsbereich, Anforderungen der Stelle, Gehalt, Standort der freien Stelle etc.

In der Praxis kommt es oftmals auch zu einer Kombination beider Methoden, wodurch sich eine noch bessere Effektivität bei der Besetzung freier Stellen ergibt.

Schritt 4: Mit dem Talentpool kommunizieren

Ganz gleich, wie prall und qualitativ hochwertig ein Talentpool auch gefüllt sein mag, das volle Potential einer solchen Datenbank kann letztendlich nur durch einen aktiven Informationsaustausch mit den Kandidaten ausgeschöpft werden. Eine regelmäßige Kommunikation mit den Talenten bildet demnach also wesentlich den Schlüssel zum Erfolg.

Dafür sollten Unternehmen in möglichst sinnvollen, sowie der Besetzungsdichte freier Vakanzen angepassten, Intervallen beispielsweise Newsletter, unternehmensrelevante Artikel oder auch Einladungen zu Firmenevents an die Talente versenden. Aber auch Webinare, Videos oder explizite Gruppen auf sozialen Plattformen, können eine Maßnahme abbilden, um Kandidaten regelmäßig an das Unternehmen zu erinnern und auf Armlänge zu halten. Um Talente langfristig am eigenen Unternehmen interessiert zu halten, bietet es sich stets an, ein Zugehörigkeitsgefühl sowie Wertschätzung zu vermitteln. Dies kann zum Beispiel erfolgen, indem den Bewerbern ein Wissensvorsprung durch Insider Events oder interne Videos von Abteilungs- und Mitarbeiterinterviews ermöglicht wird. So kann das Talent ein unverbindliches Bild über die Arbeitsweise des Unternehmens erhalten und fühlt sich gleichzeitig besonders gefragt und geschätzt.

Wie muss ein Talentpool auf lange Sicht gepflegt werden?

Doch allein mit dem Sammeln und Verwalten von Kandidateninformationen zum Aufbau eines Talentpools ist es für den langfristigen Erfolg längst nicht getan. Damit offene Stellen auch zukünftig zeitnah und mit qualifizierten Fachkräften besetzt werden können, muss das Unternehmen seine Datenbank regelmäßig pflegen. Das bedeutet, dass es in regelmäßigen Kontakt mit den aufgenommenen Talenten treten sollte, um diese nicht nur langfristig an die eigene Organisation zu binden, sondern auch immer wieder auf sich selbst als ausgezeichneten Arbeitgeber aufmerksam zu machen. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, sogenannte „stille Talente“ langfristig auf dem eigenen Radar zu halten und immer wieder an das eigene Unternehmen zu erinnern, indem eine positive Beziehung mit Wertschätzung zum Kandidaten gefördert und die vielversprechende Möglichkeit als Arbeitgeber stetig aufs Neue präsentiert wird.

Darüber hinaus sollten Unternehmen großen Wert auf die Aktualität ihrer Datenbank legen, um auch stets aus einer hochwertigen Auswahl an Kandidaten wählen zu können. Dafür müssen Talente immer wieder um Updates ihrer Profile gebeten werden, indem sie ihre Daten und Informationen regelmäßig auf den neuesten Stand bringen.

Nur durch die genannten Maßnahmen zur Pflege der unternehmensinternen Datenbank kann der Mehrwert eines Talentpools letztendlich vollends ausgeschöpft werden.

Lohnt sich eine Talentpool-Software?

Im Rahmen des Aufbaus eines Talentpools haben mittlerweile viele Anbieter eine speziell für solche Zwecke entwickelte Software, als eine Art Bewerbermanagementsystem, auf den Markt gebracht. Die Nutzung dieser Softwares kann vielen Unternehmen bei der Implementierung eine große Hilfestellung sein, da sich ein Talentpool so deutlich zügiger und vor allem professioneller aufsetzen lässt. Bekannte Beispiele sind dabei Softwarelösungen der Anbieter Rexx,  softgarden, Datev, Concludis oder Perbi. Für Unternehmen ergeben sich dabei insbesondere folgende Vorteile:

  • Einfache Integration: Der Talentpool kann meist relativ leicht zum bereits bestehenden Bewerbermanagementsystem hinzugefügt werden.

  • Möglichkeit von Werbemaßnahmen: Durch spezielle Pop-up Werbebanner können Talente spielend leicht auf die Möglichkeit der Aufnahme in die Datenbank aufmerksam gemacht werden. 

  • Talentpool als Kommunikationskanal: Viele Anbieter haben in ihrer Software die Möglichkeit der direkten Kommunikation mit den Kandidaten über den Talentpool integriert.

  • Sammelstelle aller Daten: Die Nutzung einer speziellen Software ermöglicht es zudem, alle Daten und Informationen übersichtlich an einem Ort sicher zu speichern sowie jederzeit zu verwalten. 

Fazit: Kontinuität führt zum Erfolg im Bewerbermanagement

Die Implementierung eines Talentpools, als Ergänzung zum klassischen Recruiting, bietet Unternehmen somit eine zielgerichtete Maßnahme um das eigene Talentmanagement erheblich zu optimieren. Da freie Vakanzen so nicht nur kostengünstiger, sondern auch zeitnah und zusätzlich mit hoch qualifiziertem Personal besetzt werden können, hat sich der Aufbau einer solchen Datenbank mittlerweile zu einem unerlässlichen Tool bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter entwickelt.

HR Trends, Recruiting 4.0