Jeder Mitarbeiter kann heute zum „Pressesprecher“ werden, wenn er via Social Media über seine Erfahrungen mit dem Arbeitgeber berichtet. Und jeder Beschäftigte kann sich zu einem einflussreichen Meinungsmacher entwickeln, wenn er davon erzählt, was hinter den Mauern eines Firmengebäudes tatsächlich passiert.
Auf den HR-Bereich kommen neue Herausforderungen zu: Er wird unter anderem auch dafür verantwortlich sein, die Mitarbeiter als Corporate Influencer zu befähigen. Denn ob einem das gefällt oder nicht: Jeder Beschäftigte, der im Web seine Stimme erhebt, ist Meinungsmacher für oder gegen das Unternehmen. Wer dies beabsichtigt, für den ist es so leicht wie niemals zuvor, ein breites Publikum anzusprechen. Und je mehr Digital Natives den Unternehmen zuströmen, desto stärker ist der Effekt. Den Personalverantwortlichen stellt sich damit die Aufgabe, die Grundsätze einer Empfehlungsökonomie, die Mechanismen digitaler Gemeinschaften und das moderne Influencing als Disziplin zu verstehen. Dabei gilt es, die agierenden Multiplikatoren in den Blick zu nehmen, das Wirken der Mitarbeiter im Web zu monitoren, passende Kommunikationsmöglichkeiten für sie zu schaffen und sie im Positiven zu aktivieren.
Die Menschen sind in immer größeren Online-Netzwerken miteinander verbunden.
Und nicht länger das, was die Arbeitgeber selbst über sich sagen, sondern das, was „wissende Dritte“ über sie kundtun, ist für interessierte Bewerber entscheidend.
Damit dreht sich das Sender-Empfänger-Prinzip um. Jetzt sind es die Unternehmen, die zuhören sollten. Und das „Spiel über Bande“ wird zum neuen Standard. Warum das so ist? Mit ihren „Daumen hoch oder runter“-Aktionen, bei denen sie sich zu virtuellen Schwärmen verbinden, können kommunizierende Mitarbeiter über die Attraktivität einer Arbeitgebermarke maßgeblich mitentscheiden. Hat sich eine negative Meinung erst einmal weitläufig verbreitet und damit verfestigt, kommt keine noch so fleißige Presseabteilung mehr dagegen an.
Ein Externer kann nun so ziemlich alles erfahren, was hinter den Kulissen einer Firma passiert. Dazu besucht er Foren und Arbeitgeber-Bewertungsportale. Oder er folgt den Spuren derjenigen, die zum Beispiel auf wiwi-treff.de die Online-Gemeinde befragen: „Wie gehen die Führungskräfte bei euch mit den Leuten um?“ Oder: „Wie ist das Betriebsklima so?“ Oder: „Welche Erfahrungen habt ihr bei der Einarbeitung gemacht?“ Höchstwahrscheinlich wird sich ein Interner oder Ehemaliger finden, der die passenden Antworten gibt. Und die Unternehmen haben keinerlei Kontrolle darüber, was die Beschäftigten dem Cyberspace alles anvertrauen. YouTube ist voll von Clips, die frustrierte Mitarbeiter heimlich im Büro gedreht oder nachgestellt haben, um Missstände und Fehlverhalten offenzulegen.
Natürlich kann jeder Beschäftigte auch im Positiven zu einem tatkräftigen Ambassador werden. So kann er die Arbeitgebermarke stärken, wo es nur geht. Employee Advocacy nennt man das auch. Im besten Fall entwickeln die Mitarbeiter die entsprechenden Inhalte selbst. Außerdem können sie Unternehmensbotschaften bereitwillig teilen. Hierdurch entsteht eine Glaubwürdigkeit, die jede offizielle Verlautbarung übersteigt. Auch Sichtbarkeit und Reichweite lassen sich so erhöhen. Warum das so ist? Die User im Web werden mit spannenden Inhalten, die von Personen aus ihrem Netzwerk kommen, um ein Vielfaches stärker interagieren als mit Botschaften, die von den Firmen selbst ausgestreut werden. Zum Beispiel zeigt eine Studie von LinkedIn, dass die Klickrate bei Mitarbeiterposts doppelt so hoch ist wie die bei offiziellen Unternehmenskanälen. Ferner kann man über die Mitarbeiter auch Kanäle bespielen, die ein Unternehmen selbst gar nicht im Fokus hat.
Der Stepstone Employer Branding Report fand heraus, dass 81 Prozent der 6.000 Befragten aus acht europäischen Ländern den Ratschlägen ihres persönlichen Umfeldes Vertrauen schenken. Knapp 65 Prozent vertrauen auf die Inhalte von Presseberichten. Aber nur 22 Prozent vertrauen den Arbeitgeberaussagen in sozialen Netzwerken. Es ist also sinnlos, allzu viel Geld in eigene Werbung zu stecken, weil die Wirkung verpufft. Besser, man macht seine Mitarbeiter zu Promotoren. Die Zeiten, in denen man via blumiger Arbeitgeberwerbung punkten oder der Welt mithilfe vollmundiger Imagebroschüren etwas vorgaukeln konnte, sind praktisch vorbei. Fortan braucht man nur dem Geplapper der Leute im Web zu folgen, um zu erfahren, was Sache ist. Auf der großen Bühne Internet sind Unternehmen quasi hüllenlos, nackt. Das Innenleben einer Company wird heutzutage schonungslos offenbart. Vor allem von frustriertem Personal wird ganz schön viel schmutzige Wäsche gewaschen.
Auch wenn solche Einträge subjektiv sind: Dank umfänglicher Hinweise, wie man sie zum Beispiel auf Arbeitgeber-Bewertungsportalen findet, können sich potenzielle Bewerber im Vorfeld ein Bild vom Betriebsklima einer Firma machen und einen Eindruck darüber gewinnen, ob das Unternehmen zu ihnen passt oder nicht. Wer dann aber schlechte Noten bekommt, fällt durchs Rost, ohne dass es je zu einem direkten Erstkontakt kommt. Die relevantesten Recruiting-Touchpoints befinden sich demnach nicht länger im Kontrollbereich der Unternehmen. Anbieter mit hauptsächlich schlechten Online-Kritiken werden im Kampf um die besten Talente künftig leer ausgehen. Oder sie müssen beim Gehalt einen kräftigen Aufpreis bezahlen. Nur, wer seine Mitarbeiter hegt und pflegt - und vor allem fördert - braucht sich wenig Sorgen zu machen.