Nicole Thurn ● 18.6.2019

Macht doch mal "blau"!

Der Druck steigt, der Workload nimmt zu, die Mails verfolgen uns in die Nacht: Was Unternehmen tun, um für die nötige Auszeit gestresster MitarbeiterInnen zu sorgen und deren Kreativität zu fördern.

Wir alle leiden, mehr oder weniger, unter der kollektiven Entgrenzung: Wir sind 24/7 erreichbar, sitzen vor der Netflix-Serie mit dem Smartphone in der Hand und reden mit unseren Kindern, während wir synchron Mails beantworten. In der Firma sind wir unter Druck, der Workload hat massiv zugenommen, die Kollegin ist bereits seit zwei Monaten im Burnout, der Kollege kurz davor. Dass es nicht so weitergehen kann, wissen alle. Einige Unternehmen steuern dieser bedenklichen Entwicklung inzwischen bewusst entgegen.

Sie haben erkannt, dass Auszeiten lebensnotwendig sind: sie stoppen das Hamsterrad, durchlüften unseren Kopf, lassen uns wieder mit uns selbst in Verbindung kommen. Sie führen dazu, dass wir klarer sehen, wo zuvor nur der Nebel der Frustration war. Und: Sie machen uns kreativer. Ideen sprudeln nur so aus den durchlüfteten Gehirnwindungen. Unternehmen rufen laut nach kreativen Köpfen und Innovationstreibern, die neue Märkte erschließen, Produkte kreieren und für Aufmerksamkeit in den Kundensegmenten sorgen.

Kreativität braucht Luft, Raum und Zeit.

Im Tagesgeschäft, wenn die Teams personell knapp besetzt unter dem Workload ächzen, ist mit Kreativität nicht viel zu machen. Da gilt es, innovativ zu werden:

Workations:

Kreativ-Meetings in der Hängematte am Rande des Dschungels, dann das Konzept am Laptop mit Blick aufs Meer schreiben, bevor man mit David aus Sydney und Luisa aus Santa Fe wellenreiten geht? Workations sind weltweit immer mehr im Trend. Nicht nur digitale NomadInnen nutzen sie fürs zeit- und ortsunabhängige Arbeiten, auch Unternehmen kommen langsam auf den Geschmack, ihre Teams in den Urlaub mit Arbeit zu schicken. Auf der Nomad Cruise checken digitale NomadInnen ein, um auf dem Boot miteinander zu arbeiten, neue Projekte zu kreieren. Workations lohnen sich jedenfalls auch für Angestellte, die remote arbeiten: Sie kommen entspannt, mit neuen Ideen und neuen weltweiten Kontakten zurück.

Urlaub, so lange wie nötig:

Die TAM-Akademie bietet ihren MitarbeiterInnen Urlaub. Aber nicht die obligatorischen fünf Wochen im Jahr, sondern je nach Bedarf. Wie, so oft man will? Naja, so oft man es braucht – und man realistischerweise abkömmlich ist. Für meinen Podcast „Arbeit mal anders“ habe ich Patrick Gromm interviewt, der für People und Development bei der TAM zuständig ist. Er war sechs Wochen in Vietnam und Kambodscha unterwegs, nachdem er mit Vollzeitjob und Zusatzstudium davor mehr als ausgelastet gewesen war. Er selbst hatte drei Wochen vorgeschlagen. Entschieden haben die Kollegen und sein Chef, dass er für länger auf Urlaub gehen soll. Auch das US-Software-Unternehmen Buffer bietet unbegrenzten Urlaub für seine MitarbeiterInnen an. Dass das sogar in einem Konzern möglich ist, beweist General Electric. Hier hat man im Jahr 2015 unbegrenzte Zeiten für Urlaub und Krankenstände – natürlich nach Absprache – für 30.000 Führungskräfte eingeführt. Weniger gut funktioniert hat die Maßnahme bei der Plattform Kickstarter: Dort ist man wieder zur fix vorgegebenen Zahl an Urlaubstagen zurückgekehrt. Nicht weil die MitarbeiterInnen es ausgenutzt haben, sondern weil sie zuwenig Urlaub genommen haben. Der Effekt der sozialen Erwünschtheit ist offenbar nicht zu unterschätzen.

Social Sabbatical:

Wir erweitern den Horizont, indem wir über den Horizont hinausgehen. Und wir vertiefen unsere sozialen Skills dann, wenn wir sie anwenden. Die Auszeit mit einem intensiven Lernprozess zu verbinden und dabei auch noch einen wertvollen sozialen Beitrag leisten, das hat sich das Unternehmen „Manager für Menschen“ auf die wehenden Fahnen geheftet. Initiatorin Elke Dieterich war selbst nach Führungsjahren in der Sanitär- und Versandhandelsbranche für sieben Monate als Beraterin auf Zeit für ein Entwicklungsprojekt nach Tansania gegangen. Sie griff die Idee auf und gründete „Manager für Menschen“, um angestellten ManagerInnen ein Social Sabbatical zu bieten. Christine, eine Produktmanagerin bei der Deutschen Bahn, half etwa vier Monate lang mit, ein Community Center in Namibia aufzubauen. Diese Art des sozialen Lernens sei unvergesslich, berichten viele TeilnehmerInnen des Programms.

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Pausen als Ritual:

Nicht nur die Auszeit vom Job, auch die tägliche Auszeit im Job ist wichtig für Kreativität und neue Ideen. Das österreichische Elektronik-Unternehmen Logicdata setzt auf Rituale für die MitarbeiterInnen: Täglich um 10 Uhr ertönt ein Gong durch das moderne Bürogebäude und alle kommen ins Foyer, um gemeinsam bei Kaffee eine Pause zu machen. Zudem hat man für die Belegschaft einen Entspannungsraum eingerichtet: Meditationskojen mit Kopfhörern, aus denen Lounge-Musik ertönt, sollen die rauchenden Köpfe  wieder frei für gute Ideen machen. Genutzt werde dieses Angebot von den MitarbeiterInnen laut HR-Abteilung zwar noch etwas verhalten – aber die Möglichkeit besteht.

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