Der Mensch ist ein soziales Wesen – gerade im digitalen Zeitalter. So bringt Social Learning echten Mehrwert für Teams.
Schon die Höhlenmenschen haben es mit rudimentärsten Mitteln getan: sie haben in der Interaktion mit anderen gelernt. Sie haben Wissen geteilt. (Dort drüben war ein Säbelzahntiger. So macht man Feuer.) Nur in der Gruppe konnte der Mensch sein Überleben sichern, nur in der Gruppe konnte er Wissen weitergeben und erwerben. Nur durch andere lernen wir neue Sichtweisen kennen, lernen wir, in der Welt zu bestehen.
Daran ändert auch das digitale Zeitalter wenig. Noch nie war es einfacher, uns mit Menschen aus allen möglichen Ländern und mit unterschiedlichsten Hintergründen auszutauschen: wir müssen dazu nicht einmal das Sofa oder den Arbeitsplatz verlassen. Hier lernen wir ständig über und in Gruppen. Wir interagieren auf Facebook, Xing und LinkedIn.
Gemeinhin wird mit dem Terminus Social Learning das Lernen in der Gruppe mithilfe von Social Media und digitalen Tools verstanden. Der Digitalbildungsexperte Alexander Klier bezeichnet Social Learning gar als „Lerntheorie für das digitale Zeitalter“, in der das kollaborative Lernen voneinander in der Gruppe im Vordergrund steht. Gerade der informelle Austausch mit anderen Lernenden beflügelt den Lernprozess.
Im Unternehmenskontext sind Lernen und Arbeiten nicht mehr voneinander zu trennen – dafür sorgt gerade die Digitalisierung. Über Social Collaboration Tools arbeiten Mitarbeiter zeit- und ortsunabhängig gemeinsam an Projekten – und teilen so auch ihr Wissen, Erfahrungen und Feedback miteinander. Über virtuelle Lernplattformen eignen sie sich instant und je nach Bedarf Wissen an. All das klingt gut, zukunftsweisend und einfach machbar. Nur:
Für Social Learning reicht es nicht, digitale Tools und virtuelle Räume bereitzustellen. Denn auch hier zählt der Mensch mit seinem Sozialverhalten.
Diese sechs Gebote sollten Projekt- und Teamleiter sowie HR-Verantwortliche daher bei Social-Learning-Prozessen beherzigen:
Das Collaboration oder Lern-Tool, mit dem Sie Ihre Mitarbeiter betrauen möchten, kann noch so angesagt und effizienzfördernd sein. Es wird kaum etwas bringen, wenn Ihr Team nicht mitzieht. Und das kann rasch passieren, wenn die Mitarbeiter nicht in die Auswahl des Tools einbezogen werden. Erst wenn Sie ihnen klarmachen, welche Vorteile sie für ihre Zusammenarbeit über Social Collaboration bzw. Social Learning ziehen können und erst, wenn sie aktiv die Auswahl des passenden Tools mitbestimmen können, werden sie etwaige Bedenken abbauen und Lust auf diese Zusammenarbeitsform bekommen. Die teilnehmenden Mitarbeiter sollten auch die Möglichkeit haben, über Aufgaben, Inhalte und Arbeitsteilung mitzubestimmen.
Was wird im Collaboration Tool besprochen?
Welche Informationen und Dokumente werden ausgetauscht?
Wie werden Projektaufgaben aufgeteilt, über welche Kanäle wird was kommuniziert?
Der Mensch ist als Beziehungswesen immer darauf aus, Verbundenheit mit Gleichgesinnten zu erleben. Damit eine Gruppe funktioniert, muss sie zuerst einmal ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln – das gilt schon für die Offline-Zusammenarbeit und erst recht für die digitale. Also müssen Sie als Projektleiter oder verantwortlicher Koordinator darauf von Beginn an ein Augenmerk haben. Über digitale Profile etwa können die Gruppenmitglieder schon im Vorfeld einiges über ihre Kollegen erfahren. Als Icebreaker können auch persönliche Check-ins zum Start des gemeinsamen Arbeits- oder Lernprozesses dienen: der Moderator stellt etwa allen Mitgliedern im Chat persönliche Fragen, damit sie einander besser kennenlernen. Über die Antworten erhalten sie gegenseitig Einblick darüber, wie ihre Kollegen ticken, welchen beruflichen und persönlichen Hintergrund sie haben und was sie von dem Prozess erwarten.
Das kann durch Social Collaboration und Social Media Tools gefördert, aber auch gehemmt werden, besonders, wenn ein neues interdisziplinäres oder projektbezogenes Team aufgebaut werden soll. Geben Sie der Gruppe die Chance, sich zu formieren – und den Teilnehmern, einander gut kennenzulernen. Ein Präsenztreffen in lockerer Atmosphäre wäre ideal, wenn die Mitarbeiter ansonsten nur virtuell miteinander arbeiten sollen. Die Beziehung steht stets über der Sache – die Gruppendynamik wird nur funktionieren, wenn die Menschen miteinander auf der Beziehungsebene gut können. Das bedeutet aber auch: wie im Offline-Leben benötigen wir auch in der digitalen Welt Raum für informellen Austausch.
Wenn Menschen an virtuellen Lernorten lernen, fallen wichtige soziale Marker wie Gestik, Mimik und Sprachduktus (mit allen feinen Untertönen) weg. Die professionelle Moderation von Gruppen ist dann umso wichtiger. Im physischen Setting fallen zurückhaltende, introvertierte Menschen eher auf als im Online-Forum oder im Collaboration Tool. Animieren Sie diese bewusst zur Mitarbeit, fragen Sie sie zu ihrer Meinung. Virtuelle Formate können ihnen aber auch dabei helfen, sich mehr einzubringen und sich so gegen vereinnahmende Kollegen durchzusetzen: sie fühlen sich möglicherweise geschützter. Die Rolle des Moderators kann der Teamleiter oder ein versierter Kollege übernehmen, in virtuellen Weiterbildungsprozessen ist es der Trainer. Wichtig ist für den Moderator, anfangs die Moderationsregeln ebenso klar zu kommunizieren wie die Kommunikationsregeln für alle Teilnehmer während des virtuellen Austauschs.
Beziehungsaufbau braucht Zeit. Zeitdruck ist im Social Learning und in der Social Collaboration daher alles andere als hilfreich. Damit das Team als solches zusammenwächst, benötigt es gemeinsame Zeit und ausreichend Freiraum. Auch die Bearbeitung von Aufgaben sollte für die Teammitglieder flexibel einteilbar sein. Das Ergebnis zählt, nicht der zeitliche Aufwand.
Damit die Mitarbeiter und Lernenden überhaupt intrinsisch motiviert an das Projekt oder den Lerninhalt herangehen, muss Klarheit herrschen: Was ist der Sinn des Unterfangens? Warum arbeiten und lernen wir so, wie wir es tun? Was soll das Ergebnis sein, von dem wir alle profitieren? Machen Sie den Teilnehmer mögliche Ergebnisse klar und klären Sie auch ihre Erwartungen an die Zusammenarbeit.
Wenn das Projekt oder die Lerneinheit zu Ende ist, kann ein krönender Abschluss nicht fehlen: etwa, in Form eines physischen Get-Togethers mit anschließendem Feiern oder zumindest einer abschließenden Online-Session mit der Präsentation der Ergebnisse und der Möglichkeit zum Feedback über den gemeinsamen Lern- und Arbeitsprozess. Ein gemeinsames Abschlussritual stärkt das Gemeinschaftsgefühl – und die weitere Zusammenarbeit.