Lars-Peter Linke ● 29.7.2019

"Es braucht ein radikales Umdenken in der HR-Abteilung!"

Die Digitalisierung ändert alles: Produkte, Prozesse, Märkte und Kundenbeziehungen. Wer mithalten will, muss lernen.  HR-Management muss Qualifizierungsangebote für die Kompetenzen der digitalen Zukunft anbieten. Aber Achtung: Es reicht nicht aus, den Seminarkatalog um neue Themen anzureichern, die Buzz-Words wie „digital“, „agil“ oder „New Work“ im Titel tragen!

Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass das Phänomen der Digitalisierung weniger eine technische als eine kulturelle Revolution erfordert. Nicht nur die Datenverarbeitung, die Vertriebskanäle und die Kommunikationsformen ändern sich, sondern vor allem die Art und Weise, wie Produkte entwickelt, hergestellt und vertrieben werden. Ja, mehr noch: An die Stelle der Produkte rückt der Service. Kunden legen keinen Wert mehr auf den Besitz von Produkten. Stattdessen wünschen sie sich ständigen Zugang und individuellen Service. Privatkunden setzen auf Spotify und Netflix, Business-Kunden auf Salesforce und Oracle. Plattformunternehmen und Software-as-a-Service-Anbieter dominieren nicht ohne Grund die Ranglisten der am schnellsten wachsenden Unternehmen. Ihre konsequente Ausrichtung auf den Kunden verschafft Ihnen unschlagbare Wettbewerbsvorteile und erlaubt Ihnen schnelles Agieren und permanente Innovation. Das alles in guter Zusammenarbeit mit dem Kunden.

Diese Flexibilität und Agilität gibt es allerdings nicht zum Nulltarif. Um die allseitige Ausrichtung auf den Kunden zu erreichen und selbstverständlich werden zu lassen, müssen die Unternehmen Silos aufbrechen, Prozesse neu aufsetzen und lähmende Traditionen hinter sich lassen. Forschung und Innovationen sind dann nicht mehr Hoheitsgebiet der Produktentwicklung, der Vertrieb muss sich mehr auf Begleitung der Kunden als auf Produktverkäufe konzentrieren. Marktforschung ist keine Einheit mehr für sich, sondern findet permanent im Austausch mit den Kunden statt. Das alles mit neuer Einstellung, neuer Vorstellung von Projekt- und Teamarbeit und einem neuen Verständnis von Hierarchie und Leadership.

Digitalisierung als Chance für die HR-Abteilung

Vorbei die Zeiten, als es sich das Top-Management noch leisten konnte, Bildungs- und Qualifizierungsthemen nur laue oder vorgetäuschte Aufmerksamkeit zu schenken. Dabei muss man sich um die  inhaltliche Rechtfertigung für Bildungs- und Trainingsangebote  keine Sorgen machen. Alle warten sehnsüchtig auf Workshops, Trainings und E-Learning-Angebote, die fit machen fürs Digitalzeitalter.

Selten gab es mehr Chancen auf Ruhm, Ehre und Anerkennung für die HR-Abteilung. Im digitalen Wandel kann und muss sie Motor und Treiber der Veränderung werden.

Dazu muss sie sich von Traditionen und etablierten Prozessen trennen und auch das Lernen im Unternehmen neu organisieren. Drei Stellhebel helfen, das Lernen im Unternehmen neu zu strukturieren und auf die veränderten Anforderungen und Bedürfnisse auszurichten: Zielgruppen, Formate und Erfolgskriterien.

Zielgruppen: Der Mix macht‘s

Früher war die Ausrichtung der Seminare klar: Vertriebstraining für Vertriebler, Führungstraining für Führungskräfte und die, die es werden können. Vielleicht dann noch Soft Skills für alle. Heute fällt die Zielgruppenauswahl wesentlich schwerer, weil die Orientierung an Abteilungen und an Hierarchiestufen entfällt. Wer will den Kenntnisstand und die Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien beurteilen? Da hat so manche Zwanzigjährige der Generation Z ihrem Vertriebschef in den Fünfzigern etwas voraus. Und Trainingsthemen, die die Customer Journey und die verschiedenen Touchpoints im Unternehmen ins Auge fassen, sollten beileibe nicht nur die Verkäufer im Unternehmen ansprechen. Klassische Selektionskriterien für Trainingseinladungen funktionieren nicht mehr. Stattdessen zeigen Design Thinking Workshops, wie wichtig die hierarchie- und abteilungsübergreifende Zusammensetzung der Lern- und Arbeitsgruppen ist.

Aufgabe der HR-Abteilung ist es also, die Diversität der Teilnehmerzusammensetzung zu ermöglichen. Dazu muss sie die Freiwilligkeit der Teilnahme stärken und kann nicht auf das Entsendeprinzip vertrauen, nach dem Führungskräfte bisher ihre Mitarbeiter in Seminare geschickt haben – oder auch nicht. Gleichzeitig setzt das Trainingsbudget ja klare Grenzen. Hier sind HR-Manager mehr denn je als Manager denn als Verwalter gefragt: Sie müssen nah dran an Menschen und Teilnehmern sein, müssen wissen, wer ein Angebot wahrnimmt und warum – und mehr und sorgfältiger als früher Seminarzusammensetzungen kennen und bestimmen.

Neue Themen brauchen neue Formate

Es reicht nicht aus, den klassischen Zweitagesseminaren zu Marketing, Projektmanagement und Service beizuwohnen und Inhalte und Überschriften, die das Wort „digital“ enthalten, zu verfassen. Gefragt ist das „Lernen zweiter Ordnung“: Nicht die Aneignung definierter Inhalte steht im Mittelpunkt, sondern das Lernen an sich, dass es dem Einzelnen wie der Organisation ermöglicht, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen. Das macht das Lernen natürlich weniger planbar, messbar und steuerbar. Die HR-Abteilung muss neue Formate (Workshops, Lerngemeinschaften, Communities) initiieren und anbieten und bei aller Offenheit und Experimentierfreude am Ende doch den roten Faden in der Hand halten.

Elucydate Online Training: Soft Skills, Business Basics und Digitalkompetenzen

Auch wenn die Teilnehmer selbst immer mehr Verantwortung für Inhalte und Formate übernehmen, bleibt es der HR-Abteilung vorbehalten, über Sinn und Unsinn von neuen und alten Angeboten zu befinden. Eines ändert sich auch in der VUCA-Welt nicht: Am Ende entscheidet der Return jedes investierten Training-Euros über den Nutzen einzelner Maßnahmen.

Erfolgskriterien neues Lernen: Gut ist, was wirkt

Mit den Formaten ändern sich auch die Erfolgskriterien. Damit haben auch die klassischen Bewertungsbögen, in denen die Teilnehmer Inhalt, Trainer und Location bewerten dürfen, ausgedient. Wenn Lernziele offener und individueller gefasst werden, lassen sie sich umso schwerer in formalisierter Darstellung beurteilen. Wichtiger ist die individuelle und subjektive Einschätzung: Was hat sich geändert? Was hat mir das Training persönlich gebracht? Haben wir die Zeit gut genutzt? Was hätten wir als Gruppe anders machen können?

Schlüssel des Erfolgs: Gute Kommunikation

Die neuen Inhalte und Formate gehen davon aus, dass die Teilnehmer mündiger und aktiver an Workshops und Trainings teilnehmen. Nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Belegschaft werden das tun. Für viele ist das neue Lernen ebenso ungewohnt und beschwerlich wie die sicht- und fassbaren Phänomene der Digitalisierung, die sie durch neue Geräte und smarte Assistenten am Arbeitsplatz erleben. Umso häufiger, lauter, flexibler und geschickter müssen HR-Abteilungen kommunizieren. Das interne Marketing für Neues Lernen und Neues Arbeiten wird deshalb immer mehr zur erfolgskritischen Disziplin für HR-Abteilungen.

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