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Leben in der VUCA-Welt: Was wir von Pippi Langstrumpf lernen können

Geschrieben von Britta Bonten | 8.11.2018

Mit der VUCA-Welt assoziiert man Ungewissheit, Veränderungen oder Schwankungen. Für Unternehmen kann das ein Fluch oder Segen sein – je nachdem, wie schnell und flexibel mit der Transformation umgegangen wird. Doch der Change kann ganz einfach sein. Astrid Lindgrens Kinderheldin macht´s vor!


 

 

Was hat die heutige Arbeitswelt mit Pippi Langstrumpf zu tun? Auf den ersten Blick: rein gar nichts. Aber der Reihe nach, beginnen wir mit den USA der 90er Jahre.

Eiserner Vorhang fällt: Welcome VUCA

Das Ende des Kalten Kriegs Mitte der 1990er Jahre war die Geburtsstunde des amerikanischen Akronyms VUCA. Angesichts des heruntergerissenen eisernen Vorhangs sah sich das amerikanische Militär plötzlich nicht mehr einem Feind, sondern einer multilateralen Welt gegenüber. Diese wollte Frieden und Abrüstung, ein völlig ungewohnter Zustand für die Truppe! VUKA schwappte schließlich über den großen Teich zu uns nach Europa und steht im Deutschen für VOLATILITÄT, UNGEWISSHEIT, KOMPLEXITÄT und AMBIGUITÄT.

Die Welt war doch immer schon „VUCA“

Der Mensch lebte schon immer in einer unsicheren Welt – denken wir an Säbelzahntiger, Pest, Kreuzzüge, Weltkriege, Weltwirtschaftskrisen usw.? Gegenwärtig setzen wir uns auseinander mit Robotern, die durch Künstliche Intelligenz uns Menschen (bedrohlich) ähnlich werden. Es ist eine Welt ohne die uns vertraute Ordnung und Stabilität; eine, die für viele „gefühlt aus den Fugen geraten“ ist. Die Menge und das Tempo an neuen Produkten, Möglichkeiten und Informationen steigen. Über Facebook, Twitter & Co. werden Meinungen in Sekundenschnelle weltweit verbreitet. Sind es Tatsachen oder fake news? Wir sind verunsichert. Halt und Vertrauen in die „Institutionen“ gehen verloren. Früher war auch nicht alles stabil, sicher, einfach und eindeutig, allerdings befinden wir uns heute mehr denn je inmitten einer VUCA-Welt.

Warum sich ein Vergleich mit Pippi Langstrumpf lohnt

Wie schaffen wir es, bei diesem nahezu apokalyptischen Zustand weder völlig kopflos herumzuirren, uns willenlos dem Geschehen zu ergeben oder uns von einer Klippe herabzustürzen? Wie können wir unseren Alltag trotzdem bewältigen? Und zwar so, dass wir gut und gerne im Hier und Jetzt leben und auch hoffnungsvoll nach vorne schauen? Hier hilft uns Pippi Langstrumpf. Wer kennt es nicht, das 9-jährige Mädchen mit Sommersprossen, roten Zöpfen und Ringelstrümpfen? Mit viel Witz, Quatsch im Kopf und Anderssein sorgt Pippi für Chaos in dem bis dato geordnet ablaufenden Dorfleben. Mit Konventionen hat sie nichts am Hut, pfeift auf Autoritäten und schafft sich ihre eigene VUCA-Welt, in der sie mit jeder Menge Spaß und Begeisterung lebt. Das können wir auch…

VUKA – was steckt hinter den 4 Buchstaben?

Mit Volatilität ist Schwankung gemeint. Bezogen auf unseren Joballtag sind es plötzlich veränderte Situationen, mit denen wir uns arrangieren müssen: Flugzeuge fallen aus technischen Gründen aus und es gibt keine Ersatzmaschinen, so dass Passagiere am Flughafen stranden anstatt ihr eigentliches Ziel zu erreichen. In solchen Situationen versuchen wir uns mit den unerwarteten Änderungen zu arrangieren. Auf routinierte Abläufe, Prozesse und Zustände „wie schon immer“ können wir uns in der heutigen Arbeitswelt nicht mehr verlassen.

In Pippis Welt gibt es keine routinierten Abläufe – sie stellt alles „Normale“ auf den Kopf: Sie geht nicht zur Schule, schläft mit dem Kopf am Fußende und sitzt auf ihrem Pferd falsch herum. Brenzlige Situationen lässt Pippi auf sich zukommen und macht sich nicht vorher schon verrückt. Mit spielerischer Leichtigkeit nimmt sie die Welt an, wie sie ist. Sie behält ihren unerschütterlichen Humor und lässt sich ihre gute Laune selten vermiesen. Getreu dem Motto „ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“ gelingt es ihr, mit einem Lachen im Gesicht unangenehme Situationen zu meistern. Wenn wir von dieser Einstellung nur ein wenig abschauen und umsetzen, machen wir es uns im Alltag viel leichter.

Der zweite Buchstabe in VUCA steht für Unsicherheit. Im Gegensatz zu vergangenen Zeiten kommt heute die Informationsvielfalt hinzu. Sie beschert uns aber weder mehr Sicherheit noch Gewissheit. Verlässlich ist nur, dass wir durch die Nutzung neuer Medien einfach mehr schneller erfahren und dadurch in geistige Habachtstellung geraten. Auch die beste Strategie hilft uns dabei „mit Sicherheit“ nicht weiter.

Auch die physischen Superkräfte von „Königin Ephraims Tochter Langstrumpf“ werden wir leider nicht bekommen; von Neurowissenschaftlern und Sportlern wissen wir jedoch, dass wir uns gerade mit mentaler Stärke zu Höchstleistungen pushen können. Wir können dann erfolgreich sein, wenn wir an neue Lösungen glauben und uns nicht mit Selbstzweifeln innerlich lähmen. Niemals stellt Pippi sich oder ihre Möglichkeiten fundamental in Frage! Glauben wir an unsere Fähigkeiten, zu improvisieren, kreativ zu sein und jede noch so unvorhergesehene Situation in Pippi-Langstrumpf-Manier meistern zu können.

Komplexität beschreibt die dritte Eigenschaft bei VUCA. Allein die Informationsdichte macht das Leben heute vielschichtiger; alles ist miteinander vernetzt. Globaler Handel und grenzenlose Mobilität versetzen uns in eine komplexe Welt. Nicht immer löst eine einzige Ursache ein Problem aus; oft sind auch Wirkung und Ursache vermischt. Zum Beispiel reicht es bei der Personalsuche heute nicht mehr aus, eine einzige Stellenanzeige in der lokalen Presse zu schalten. Geeignete Kandidat*innen heute zu finden ist komplex, abhängig von zig Faktoren und erfordert kreative und neue Recruiting-Strategien.

Pippi tritt ähnlich komplexen Situationen mutig und kühn entgegen! Sie durchbricht Normen mit unbändiger Furchtlosigkeit. Auch wir können komplexe Situationen offen annehmen anstatt sie zu ignorieren. Warum trauen wir uns nicht öfter zu, neue verrückte Wege wie Pippi mutig zu gehen anstatt ausgetretenen Pfaden stur zu folgen? So ermöglichen wir uns, Neues zu lernen und Unbekanntes zu entdecken. Nach dem Motto: no risk, no fun!

 
 

Unter Ambiguität verstehen wir Doppel- oder Mehrdeutigkeit. Auf den Arbeitskontext übertragen, kann man beispielsweise nicht eindeutig klären, warum ein Projekt nicht erfolgreich verläuft: Liegt es an der Kommunikation, den Akteuren oder am Kunden? An zeitlichen oder personellen Ressourcen oder beidem? Abhängig von den Rollen gibt es verschiedene Sichtweisen, die jede für sich zutreffend sein kann.

Auch hier lohnt sich der Blick auf Pippi Langstrumpf: Sie lebt ohne Eltern, nur mit „Herrn Nilsson“ und „Großer Onkel“. Finanziell ist Pippi dank der Goldschätze ihres Vaters völlig unabhängig. Das was Pippi aber innerlich auszeichnet, ist ihre mentale Unabhängigkeit. Sie begegnet anderen unvoreingenommen. Losgelöst von der finanziellen Situation zeigt uns Pippi, dass wir autonom sein können, indem wir Haltung zeigen und zu unserer Meinung stehen. Einfache Erklärungen sind passé und wir benötigen eine differenziert geführte Kommunikation ohne vorschnelle Urteile. Das ist nicht immer einfach und erfordert neben guten Argumenten vor allem ein stabiles Rückgrat. Manchmal ist es sinnvoll, über den Dingen zu stehen und sich von anderen abzugrenzen. Das macht uns mental frei, innerlich unabhängig und bereit für neue Wege.

FAZIT: Holen Sie die Pippi Langstrumpf aus sich heraus!

Die Welt ist heute wie sie ist und wird sich auch morgen ändern – VUCA ist der heutige Zustand, den wir schlichtweg akzeptieren müssen. Beeinflussen können wir lediglich unsere Einstellung, wie wir mit und in ihr agieren. Nutzen wir die Chance, souverän zu handeln, anders sein zu dürfen und uns unter veränderten Rahmenbedingungen weiterzuentwickeln! Mit Pippis Worten: "Warum ich rückwärts gegangen bin?" sagte Pippi. "Leben wir etwa nicht in einem freien Land? Darf man nicht gehen, wie man will?"

(Gesamtausgabe Pippi Langstrumpf, Verlag Friedrich Oetinger, 1978 - 1. Kapitel: Pippi zieht in die Villa Kunterbunt ein).