Lars-Peter Linke ● 15.5.2019

HR-Business-Partner in agilen Zeiten: Jetzt zählt Wandlungsfähigkeit!

24 Jahre seit seiner ersten Erwähnung ist Dave Ulrichs Idee des HR-Business-Partners bereits mitten im Erwachsenenalter. Kann sich das Konzept in agilen Zeiten halten, wenn Strukturen, Prozesse und Traditionen auf breiter Flur in Frage gestellt werden?

Eigentlich müssen HR-Business-Partner keine Angst haben: Als Change-Experten sollten sie Wandel gewohnt sein… Es gibt kaum eine HR-Abteilung, die sich Dave Ulrichs Vorstellungen vom Personalmanagement als strategischem Partner nicht bewusst oder unbewusst auf die Fahnen geschrieben hätte: Orientierung am Tagesgeschäft und den Unternehmenszielen, Beratung auf Augenhöhe für die Führungskräfte, konzentrierte und effiziente Services für die Mitarbeiter. So klingen Anspruch und Selbstbeschreibung in vielen deutschen Personalabteilungen. Der gute alte Personalreferent ist – zumindest als Jobtitel – mehr und mehr aus dem deutschen Sprachgebrauch verschwunden. Die Bühne betreten haben seit 1996 die HR-Business-Partner: voller Ambitionen und mit dem festen Ziel, durch gute Personalpolitik zur Wertschöpfung beizutragen. Und heute?

Die Digitalisierung verändert alle Prozesse und HR-Services schneller als HR-Profis gucken und schreiben können. 

Agiles Denken und New Work-Philosophien stellen die Personalentwicklung vor neue Aufgaben. Was kommt auf Personalmanager jetzt zu? Müssen Sie nach der Rolle vorwärts zum  HR-Business-Partner im Zeitalter der agilen Konzepte jetzt zum nächsten Salto antreten und zum Product Owner werden? Bei genauer Betrachtung wird klar: Das Mindset ändert sich gar nicht sehr. Wer die Rolle des HR-Business-Partners wirklich angenommen hat und sie nicht nur auf der Visitenkarte trägt, muss an Haltung, Einstellung und Verhalten nicht alles ändern.

Schwere Geburt: Nicht jeder Personalreferent und -verwalter wurde gerne Business-Partner

So mancher Personalreferent hatte die Herausforderungen der neuen Rolle des Business-Partners nur ungern angenommen. Die Wandlung vom Fachexperten, der sich um Themen, Akten und Verwaltungsvorgänge kümmerte, zum Relationship Manager, der Menschen, Beziehungen und konkrete Vorteile für das Alltagsgeschäft im Blick hat, fiel schwer. Andere wiederum dankten dem HR-Experten Dave Ulrich für die Aufmerksamkeit und den neuen Anspruch, den HR-Themen durch seine Arbeit gewonnen hatten: Personalmanagement als Schlüssel zum Erfolg des gesamten Unternehmens, die Personalmanager als Berater und Coachs der Führungskräfte – als interner Berater und Stratege, der Wandel vorantreibt, Menschen zusammenbringt und die Kultur und die Organisation eines Unternehmens zu verbessern weiß.

Bedeutung des HR-Managements nimmt zu

Die Digitalisierung verändert Arbeitsplätze und Geschäftsmodelle so schnell, dass selbst ein weltweit führendes Software-Unternehmen wie SAP sich selbst ein Restrukturierungsprogramm verordnen muss, um Schritt zu halten. Das Unternehmen will Tausende von Mitarbeitern umschulen, auf andere Positionen versetzen oder mit Abfindungen in den Vorruhestand schicken, damit die Firma auf Veränderungen in der Technologiebranche reagieren kann. Hier wie in vielen anderen Unternehmen ist die Bedeutung und die Notwendigkeit der HR-Manager mit Händen zu greifen. Sie müssen jetzt Personalprobleme bündeln, bewerten und mit den Führungskräften im Sinne der Unternehmensziele lösen. Trotzdem sehen viele HR-Business-Partner ihre Rollen und Aufgaben in Frage gestellt. Die neue Verunsicherung stellt sich just in dem Moment ein, als viele HRler gedacht haben, gut ein Vierteljahrhundert nach Formulierung des HR-Business-Partner-Konzeptes zumindest ein Stück weit „angekommen“ zu sein. Ziel verschoben, Ankunft vertagt.

New Work: Personalarbeit wird neu verteilt

Anhänger von New Work-Konzepten und agilen Ansätzen denken weniger in Rollen und Positionen und mehr in Aufgaben und Lösungen. So verteilen sie vormals klassische HR-Aufgaben mehr und mehr auf die Schultern der Führungskräfte: Personalentwicklung, Diagnostik und Recruiting. In agilen Unternehmen wird Personalentwicklung – zumindest dem Konzept zufolge – Aufgabe für alle. Zwar soll es weiterhin Programme, Initiativen und Projekte zum Thema Entwicklung geben. Aber die Initiative, Steuerung und Verantwortung soll mehr und mehr von den einzelnen Abteilungen und Teams ausgehen. Das trifft viele HR-Business-Partner, die sich gerade erst das notwendige Selbstvertrauen erarbeitet haben, um markant als „Wertschöpfer“ und „Treiber des Unternehmenserfolges“ auftreten zu können, ins Mark. Ihr ureigenes Revier wird plötzlich neu vermessen…

HR-Professionals sind sich selbst der größte Feind

Da taucht es dann wieder auf, eines der Hauptprobleme des HR-Managements: der unbezwingbare Hang zum Selbstzweifel. Dave Ulrich hat diesen Charakterzug treffend beschrieben: “HR-Professionals sind sich selbst ihr größter Feind. Immer noch schätzen sie sich selbst geringer ein als sie von ihrem Gegenüber sowohl innerhalb als auch außerhalb von HR eingeschätzt werden.“ Dabei werden HR-Business-Partner mehr gebraucht denn je. Die Bedeutung von Lernen und Entwicklung und der Bedarf an konkreter Unterstützung werden rasant zunehmen.

Eine Frage des Mindsets: Agiles Denken trifft auf Menschen mit Sehnsucht nach Verlässlichkeit

Traditionelle HR-Lösungen sind typischerweise Programme und Prozesse rund um Recruiting, Mitarbeiterentwicklung, Leistungsbeurteilung, Arbeitspraktiken und Compliance. Die meisten beruhen auf Formularen und Workflows und sind sehr formell gehalten. Nicht immer empfinden Führungskräfte diese Services als hilfreich, sondern manchmal sogar als Belastung. Oft können HR Experten das nicht nachvollziehen, haben sie doch viel Fachwissen in die Entwicklung der Instrumente gelegt und Benchmarking mit HR-Kollegen betrieben. Umso schwerer fällt es ihnen, sich das Denken, das agiles Projektmanagement, Design Thinking und New Work-Ideen propagieren, zu eigen zu machen: Schnelles Umsetzen unfertiger Ideen, Lust auf Scheitern, mehr Reagieren auf Veränderung als das Befolgen eines Plans. Es hilft aber nichts. Jetzt heißt es mitzusingen: HR Management muss sich an die Spitze der Bewegung setzen, wenn es seinem Anspruch als Change Agent gerecht werden will. Genau dieses Ziel hat Dave Ulrich den Personalern schon vor 25 Jahren zugeeignet, als er in weiser Voraussicht die Kunst des Veränderungsmanagements als Überlebensfaktor in immer schnelleren Geschäftswelten ausmachte.

Er sah die HR-Abteilung als Motor des Unternehmenswandels. Sie muss die digitale Revolution im gesamten Unternehmen vorantreiben und für einen Mentalitäts- und Bewusstseinswandel sorgen.

Aufgaben ändern sich, als Business-Partner werden Personalprofis immer (noch) gebraucht

Die HR-Abteilung kann am besten zum digitalen Propheten werden, wenn sie selbst ihre digitalen Hausaufgaben erledigt. Nur wer selbst Prozesse und Arbeitsweisen digitalisiert hat, kann glaubwürdig eine Vorbildfunktion einnehmen und das Thema vorantreiben. HR-Manager müssen als Business-Partner neue Ideen von Selbstorganisation, flachen Hierarchien und agilem Management in das Unternehmen hereinbringen. Mit verschiedenen Lern- und Entwicklungsformaten müssen sie Menschen und das Unternehmen dazu bringen, zu lernen und sich neuen Ideen zu öffnen. Das können sie nur selbstbewusst tun, wenn sie darauf bauen können, dass es sie auch dann noch geben wird, wenn sich ihre Aufgaben und Rollen auf andere Köpfe und Schultern verteilt haben. Grund zu dieser Annahme gibt es genug: Beweger, Antreiber, Zusammenbringer und In-Frage-Steller werden immer gebraucht.

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