Arbeitgeberbewertungen werden für Bewerber und Jobhopper immer wichtiger. Gleichzeitig sind sie ein Aushängeschild für das Unternehmen. Wie gehen Arbeitgeber, Mitarbeiter und Bewerber am besten damit um?
3,25 von fünf Sternen: So lautet das Urteil über einen produzierenden Mittelständler. Der IT-Konzern hat 3,49 von fünf, der Küchenbauer 4,68. Die meisten Menschen wollen nicht nur einen gut bezahlten Job, sondern auch einen, der ihnen Freude macht: mit netten Kollegen, guter Stimmung und fähigen Führungskräften.
Zumindest ansatzweise Ahnung davon, wie es in Unternehmen so läuft, erhalten sie auf Arbeitgeber-Bewertungsplattformen: Hier beurteilen die Mitarbeiter ihre Arbeitgeber, verteilen Sternchen und beschreiben Atmosphäre, Incentives und Erfahrungen mit ihren Vorgesetzten. Das kann durchaus erfrischend sein in Zeiten, wo sehr viele Unternehmen sich als modern, mit flachen Hierarchien und agil darstellen – bei genauerem Hinsehen aber dann doch etwas anders ticken. Diese Plattformen werden immer häufiger genutzt.
Jeder dritte Deutsche liest laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom Online-Bewertungen über Arbeitgeber – Tendenz steigend.
Mehr als 3,5 Millionen Bewertungen zu rund 900.000 Unternehmen in Europa findet man auf kununu, der größten Arbeitgeber-Bewertungsplattform Europas. Mehr als 1000 Bewertungen kommen täglich dazu. Anfang Juni hat US-Konkurrent Glassdoor die erste deutsche Niederlassung in Hamburg eröffnet. Weltweit wurden auf Glassdoor bisher mehr als 600.000 Unternehmen bewertet.
Die Bewertungen können potenziellen Bewerbern dabei helfen, realistische Einblicke ins Unternehmen zu erhalten. Allerdings: Als Mitarbeiter müssen Sie sich bewusst sein, dass Ihre Bewertung Menschen abschrecken kann, sich beim Unternehmen zu bewerben. Ihre Bewertung ist subjektiv und sollte daher auch so formuliert sein. Wenn der Chef Ihnen ans Bein gepinkelt hat oder Sie einen gewissen Frust in Ihrer Abteilung bemerken, ist das noch kein Grund, das Unternehmen als Ganzes schlecht zu machen. Also: statt pauschaler Urteile lieber konkret formulieren, in Ich-Botschaften und mit relevanten Informationen für die Bewerber („ich bemerke in meiner Abteilung hohen Druck“, „Die Stimmung in unserem Team ist sehr wertschätzend und angenehm“, „Die Strukturen sind sehr hierarchisch, alle sind per Sie“). Hilfreich ist es auch, konstruktive Verbesserungsvorschläge zu machen und Ihre Wünsche zu deponieren. Bei pauschalen Verurteilungen oder gar Verleumdungen, Rufschädigung und dem Verrat von Betriebsgeheimnissen könnten Sie Probleme mit Ihrem Arbeitgeber bekommen. In berechtigten Einzelfällen darf das Bewertungsportal nämlich Ihre Daten herausrücken. Und das kann dann zu einem Gerichtsverfahren wegen übler Nachrede oder Verleumdung und somit zu Ihrer fristlosen Entlassung und hohen Geldstrafen führen. Also: Berechtigte Kritik immer sachlich, konkret und konstruktiv vorbringen. Bitte schreiben Sie Bewertungen nicht in der Emotion oder nachdem Sie gekündigt wurden.
Ein absolutes No-Go für Firmen ist es, Vogel Strauß zu spielen und nicht auf negative Bewertungen zu reagieren. Laut der Studie „Club der Gleichen – Kandidatendialog“ der „Employer Telling“-Berater Sascha Theisen und Manfred Böcker antwortet nur jedes 100. Unternehmen auf eine kritische Bewertung auf kununu. Mehr als die Hälfte der Unternehmen benutzen, wenn sie antworten, fade Textschablonen wie etwa „Vielen Dank für Ihre Bewertung, Feedback ist uns wichtig.“ Das klingt nach einer kritischen Bewertung schnell mal zynisch. Die beiden empfehlen, erstens, überhaupt zu antworten und zweitens auf Kritik sachlich und freundlich einzugehen. Gut ist natürlich auch, mit konkreten positiven Beispielen der Kritik entgegenzutreten oder auf geplante Verbesserungen hinzuweisen. Fest steht: Der Umgang mit den Bewertungen wirkt sich definitiv auf Ihre Attraktivität als Arbeitgeber aus. Dessen sollten Sie sich bewusst sein.
Lesen Sie auch: Employer Branding - so punkten Sie als Arbeitgeber
Als attraktiven Arbeitgeber disqualifizieren Sie sich auf jeden Fall, wenn Sie in der Emotion behaupten, dass die negative Bewertung eine Lüge sei. Sie können das Bewertungsportal auf eine rufschädigende Falschbewertung aufmerksam machen und eine Löschung des Beitrags anfordern. Kritische Bewertungen sind aber erlaubt. Nehmen Sie Kritik daher nicht als Ärgernis, sondern als wertvolles Feedback und somit zum Anlass, interne Gegebenheiten zu verbessern. Seien Sie ein guter Arbeitgeber und machen Sie Ihre Mitarbeiter zu Markenbotschaftern, die anderen gern über die tolle Unternehmenskultur berichten. Das ist immer noch der beste Weg, um positive Bewertungen zu bekommen.
Das Unternehmen klingt wunderbar: Das Gehalt stimmt, die Kultur scheint fordernd, aber auch modern zu sein, die Entwicklungsmöglichkeiten sind vorhanden. Nur: drei (von 70) Mitarbeitern jammern auf der Bewertungsplattform über einen jähzornigen Chef und massiven Leistungsdruck. Was tun, bewerben oder nicht? Lassen Sie sich nicht von solchen Bewertungen abschrecken. Es sind stets subjektive Interpretationen der Realität. Sie wissen vermutlich auch nicht, welches Team in welcher Abteilung es betrifft. Führungskräfte führen sehr unterschiedlich, in Abteilung A kann alles wunderbar sein, während Abteilung B unter mieser Führung leidet. Machen Sie sich Ihr eigenes Bild, aber nehmen Sie die Bewertungen als Anlass, genauer hinzuschauen und gezielt Fragen zu den kulturellen Gepflogenheiten zu stellen, wenn Sie zum Bewerbungsgespräch eingeladen werden.
Grundsätzlich geben Arbeitgeberbewertungen immer nur eine Tendenz ab. In der Regel bedeutet das: je mehr Bewertungen in Bezug auf die Mitarbeiterzahl, desto authentischer. Mit den Bewertungen gehen Sie nicht völlig blank in den Bewerbungsprozess. Allerdings: das alleine reicht nicht. Schauen Sie sich auch die Social-Media-Kanäle, die Webseite, YouTube-Videos und andere Medienauftritte des Unternehmens und seiner Protagonisten an, um einen Gesamteindruck vom potenziellen Arbeitgeber zu erhalten.