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Agile Methoden anwenden: Bei Startup-Gründern nachgefragt

Geschrieben von Antonia Laier | 17.12.2018

Das Anwenden agiler Methoden und die Einführung innovativer Projekt- und Prozessstrukturen steht bei Startups an der Tagesordnung. Viele KMU setzen deshalb gerade im Anwendungsbereich auf die Unterstützung der jungen Gründer. Wir haben mit Florian Kappert, Geschäftsführer und Co-Founder von Bilendo, gesprochen.

Bilendo richtet sich mit seiner Credit-Management Plattform insbesondere an KMU und offeriert eine vollständige Automatisierung und flexible Steuerung des gesamten Order-to-Cash-Prozesses. Mit dieser smarten Lösung wurde das Startup auf die neue Plattform UnternehmerPlus der Commerzbank aufgenommen, die ihren Kunden einen Überblick über innovative Software-Tools bietet, um manuelle Prozesse zu digitalisieren und zu optimieren. Immer öfter ist die Arbeitsweise und Denke aus der Startup-Branche auch bei größeren Firmen gefragt. Das liegt insbesondere an der Art und Weise, wie in den jüngst gegründeten Firmen mit den Herausforderungen des digitalen Wandels umgegangen wird.

Wie sich agile Strukturen in den Arbeitsalltag integrieren lassen, welche Methoden "gut ankommen" und was KMU sich abschauen können hat uns Florian Kappert von Bilendo verraten:

Herr Kappert, wie entstand die Idee für Ihr Unternehmen Bilendo? 

Die Idee entstand aus der Praxis heraus. Wir hatten viel Erfahrung im Umfeld von mittelständischen Software-Lösungen gesammelt. Unser eigenes Unternehmen, eine Internet-Agentur, war softwareseitig gut aufgestellt. Die Prozesse um die Abrechnung waren trotzdem immer eckig. Aus Projekten kannten wir alle notwendigen Technologien für die Lösung solcher Probleme. Wir haben kurzerhand entschlossen, nochmal eine Firma zu gründen und diese Probleme anzugehen. Heute ist daraus eine Credit-Management Plattform gewachsen.

Welche Erfahrungen haben Sie mit agilen Methoden wie Kanban, Scrum oder Design Thinking gemacht?

Wir haben mit Scrum angefangen (machen wir schon seit Jahren). Unsere Entwicklung ist grundsätzlich Test-driven und im Hintergrund läuft ein Continuous Integration Framework. Seit einigen Monaten nutzen wir Kanban in Teams. Das macht die Planung etwas einfacher. Die von Scrum vorausgesetzten Sprints haben für uns nicht so gut gepasst, weil wir eigentlich verschiedene Sprints hatten, die parallel gelaufen sind und jeweils einzelne Produktinkremente betroffen haben. Design Thinking ist ein schönes Instrument um "alle abzuholen" und um ein gemeinsames Verständnis zu erzeugen. 

Was ist Ihre Definition von „Agilität“?

Agilität bedeutet für uns, komplexe Probleme aus Anwendersicht zu beschreiben. Diese dann in ganz viele, ganz kleine Teile zu zerlegen und diese Teile im Team umzusetzen. Während der Umsetzungsphase aber trotzdem in der Lage zu sein, die Zerlegung anders zu gestalten und gegebenenfalls Teile hinzuzufügen oder wegzunehmen. Das ist zu Beginn weniger Planungsaufwand, lässt sich viel besser Benchmarken und natürlich ist das Team so in der Lage, die entwickelte Lösung immer mit der Anwendersicht anzugleichen.

Zusammenarbeit: Wie sieht eine gelungene, moderne Art der Kommunikation in einem Startup-Team aus?

Euphorisch, ruhig, unpolitisch und wahnsinnig schnell in die selbe Richtung.

Auf welche Faktoren kommt es Ihrer Meinung nach an, wenn man als KMU modern, agil, flexibel arbeiten möchte?

Auf das Team. Offenes Denken ist gefragt. Die Bereitschaft, Teile des Weges nochmal zu gehen, Entwicklungen zu löschen, flexibel auf Anforderungen zu reagieren, ein unprätentiöser Umgang miteinander, für einander einstehen und natürlich Personen, die in der Lage sind die Probleme des Anwenders in kleine Teilprobleme zu zerlegen. Wenn es diese Personen nicht gibt, dann kann agile Entwicklung auch nur scheitern.

Was können klassische Unternehmen von den Workflows und den Strukturen der Startups lernen? Warum lohnt sich für KMUs die Zusammenarbeit mit Startups?

Startups haben den Vorteil mit einem Geschäftsmodell auf der grünen Wiese zu beginnen. Erfolgreiche Startups werden selber zu etablierten Unternehmen mit gewachsenen Strukturen und Prozessen. Alle Unternehmen können von den jungen, schnellen und agilen Startups lernen, aber nicht alle Konzepte lassen sich umsetzen. Es erfordert unfassbar viel Willen, Geld und Zeit, die digitale Transformation zu schaffen. Startups sind hier sicherlich ein geeignetes Rolemodel.

 
 

New Work: Was verstehen Sie unter diesem Begriff?

New Work setzt viel mehr auf das Individuum und persönliche Freiheit und Flexibilität, als wir es in "Old Work" kennen. Für mich spielt da ein ähnlicher Begriff, das "Work Life Blending", mit rein und das ist insgesamt kritisch zu betrachten. Es stimmt sicherlich, dass wir (nach "New Work") zu einer Wissensgesellschaft werden und immer mehr geistige, als körperliche Arbeit erledigen. New Work und Work-Life-Blending setzen auf eine Vermischung von Privatem und Geschäftlichem. Das macht es schwieriger abzuschalten, Grenzen zu ziehen und geistige Freiräume zu schaffen. Trotzdem gibt es dem Individuum Freiräume. Diese müssen dann auch genutzt werden. Solange es keinen echten Kulturwechsel in Unternehmen gibt, werden es solche Konzepte schwer haben. Es wird immer die Chefs und Kollegen geben, die es blöd finden, wie Mitarbeiter Privates mit in die Arbeit bringen. Für uns als Startup ist das alles nichts besonderes. Wir haben sehr wenig Privatleben und da muss man sich die Freiräume nehmen, die man braucht. Wir schaffen dafür auch das nötige Gerüst.

Wie lautet Ihr persönlicher Tipp, was können wir uns alle in punkto „Effektivität“ abschauen?

Motivation ist der Schlüssel. Ohne Motivation im Team geht es nicht. Es gilt also, alle "Handbremsen" zu lösen, die einer Motivation im Team entgegenwirken. Hierarchien an der falschen Stelle – also Hierarchie, die nicht auf Kompetenz basiert – ist unglaublich hinderlich. Genauso Intransparenz, schlechte Prozesse und keine gemeinsame Vision. Leider muss man ein Unternehmen manchmal etwas auf den Kopf stellen, um diese Hindernisse vollständig zu beseitigen. Das dürfte vor allem vor dem Hintergrund des deutschen Arbeitsrechts spannend sein. 

Titelbild: Bilendo Gründerteam mit Florian Kappert (links)